taz.de -- Kommentar Middelhoffs Haftbedingungen: Folter ist schwer vorstellbar
Im Fall von Middelhoffs Schlafentzug ist vieles ungeklärt. Eines aber nicht: Middelhoffs Anwälten kommt „die Folter“ gelegen.
Warum hatte Thomas Middelhoff keine Schlafbrille? So was benutzen Menschen, die sofort aufwachen, dringt nur ein klitzekleiner Lichtstrahl in ihr Schlafzimmer. Es ist schwer vorstellbar, dass sich der inhaftierte Ex-Arcandor- und Karstadt-Chef in seiner Zelle damit hätte umbringen können. Der weiche Augenschutz hat zwar einen Gummi, doch der ist ganz klein. Aber wer weiß: Wer sich tatsächlich das Leben nehmen will, schafft das. Irgendwie.
Das fürchtete wohl auch die JVA Essen, wo Middelhoff seit einigen Monaten einsitzt. Der soziale und persönliche Abstieg des einstigen Topmanagers bietet für Suizid zumindest eine Kulisse.
Nun müssen Gefängnisse dafür sorgen, dass den Häftlingen nichts passiert. Dafür dürfen sie zahlreiche Methoden anwenden, auch das Lichtanschalten in kurzen Abständen, um nachzuschauen, ob mit dem Häftling alles in Ordnung ist. Ist das Folter, so wie Middelhoffs Anwälte wettern? Eine Verletzung der Menschenrechte, wie die Grüne Renate Künast es formuliert?
Auf jeden Fall zehren Schlafmangel und ständiges Wachwerden an den Nerven. Wer nicht in den Tiefschlaf fallen kann, erholt sich nicht. Und kann krank werden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit haben selbstredend auch Gefangene. Schlafentzug als systematische Foltermethode in deutschen Gefängnissen? So richtig vorstellen kann man sich das nicht. Aber wer weiß: Wer jemanden demütigen will, schafft das. Irgendwie.
Im Fall von Middelhoffs Schlafentzug ist vieles ungeklärt. Und manches fragwürdig. Eines aber offenbar nicht: Middelhoffs Anwälten scheint „die Folter“ ganz gelegen zu kommen. Schließlich wollen sie ihn aus der Haft holen – mit welchen Mitteln auch immer. Und sie selbst bezweifeln jede Selbstmordabsicht ihres Klienten.
8 Apr 2015
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