taz.de -- #BringBackOurGirls: Schülerinnen vor einem Jahr entführt

Seit einem Jahr befinden sich mehr als 250 Schülerinnen in Nigeria in der Hand von Boko Haram. Ihre Freilassung ist nach wie vor völlig ungewiss.
Bild: Kundgebung für die Entführten im Januar in Abuja.

COTONOU taz | Es ist ein Jahr des Hoffens und Bangens für die Eltern, Geschwister, Freunde und Verwandte der Mädchen von Chibok gewesen. Denn so lange befinden sich die 219 Schülerinnen schon in den Händen der Terrormiliz Boko Haram.

In der Nacht zum 15. April 2014 waren insgesamt 276 Mädchen aus den Schlafsälen einer weiterführenden Schule in Chibok (Bundesstaat Borno) entführt worden. Die wenigen, die fliehen konnten oder befreit wurden, berichteten von grausamen Vergewaltigungen und Missbrauch durch die Terroristen. Experten gehen davon aus, dass Entführungsopfer in Nigeria außerdem zu Selbstmordattentätern ausgebildet werden.

Rotimi Olawale kennt diese Entwicklungen und bezeichnet die vergangenen zwölf Monate als „schmerzhaft“. Er ist Medienbeauftragter von „BringBackOurGirls“, einer Twitterkampagne, die im vergangenen Jahr weltweit für Interesse und Entsetzen an der spektakulären Entführung sorgte.

Neben Michelle Obama und David Cameron twittere beispielsweise auch Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai für die Freilassung der Schülerinnen. Markenzeichen der Gruppe, der auch die ehemalige Bildungsministerin Oby Ezekwesili angehört, ist bis heute die einfache wie prägnante Forderung: Alles, was wir wollen, ist die sofortige Rückkehr unserer Mädchen.

Wenig Hoffnung

Anfang April gab es in Nigeria bereits Gerüchte, dass die Schülerinnen nicht mehr am Leben seien. „BringBackOurGirls“ will aber nicht aufgeben und macht stattdessen noch immer fast täglich auf das Schicksal der jungen Nigerianerinnen aufmerksam. Rund um den ersten Jahrestag finden deshalb in Nigerias Hauptstadt Abuja, aber beispielsweise auch in den USA Veranstaltungen für die Mädchen von Chibok statt, darunter ein Protestmarsch durch Abuja. „Solange wir keine Beweise haben, dass die Mädchen nicht mehr leben, fordern wir von der Regierung weiter: Sie muss alles für eine Befreiung tun“, sagt Olawale.

Obwohl eine Befreiung immer unwahrscheinlicher klingt, bleibt in Nigeria trotzdem noch ein wenig Hoffnung. Auch Idayat Hassan, Leiterin des Zentrums für Demokratie und Entwicklung mit Sitz in Abuja, hat sie weiterhin: „Wie viele Nigerianer glaube auch ich, dass sie zurückkommen werden. Allerdings weiß ich nicht, ob es alle sein werden.“ Experten gehen davon aus, dass Tausende weitere Opfer verschleppt worden sind. Insgesamt sollen durch die Gewalttaten von Boko Haram 800.000 Kinder im Norden des Landes ihr Zuhause verloren haben. Das Kinderhilfswerk Unicef teilte am Montag mit, dass sehr viele von ihren Familien getrennt und missbraucht wurden. Kinder seien „vorsätzliche Ziele“ geworden.

Hoffnung, dass die Betroffenen doch noch zu ihren Familien zurückkehren können, macht nun auch Nigerias künftiger Präsident Muhammadu Buhari. Er kündigte am Wochenende zwar an, dass das Problem Boko Haram nicht in zwei Monaten gelöst werden könne. Von dem 72-jährigen Karrieresoldaten wird aber ein härteres Vorgehen gegen die Terroristen erwartet.

Fehlender politischer Wille

Genau dafür war dessen Vorgänger Goodluck Jonathan immer wieder kritisiert worden. Zwar sagte er mehrfach, dass die Schülerinnen bald befreit werden würden. Doch Taten folgten nie. Ganz ähnlich verhielt sich die Armee, die mehrfach verkündete: Jetzt wissen wir, wo sie versteckt gehalten werden. Aber dabei blieb es. Nach den vollmundigen Ankündigungen hieß es, man wolle die Mädchen nicht gefährden, dann wieder kleinlaut, dass die Streitkräfte den Aufenthaltsort doch nicht so genau kennen würden.

„Uns hat alle gewundert, dass die Befreiung so lange dauert“, gibt auch Idayat Hassan zu. Neben mangelnder Kommunikation ist der fehlende politische Wille aus ihrer Sicht der Hauptgrund dafür gewesen.

Ohnehin präsentierte sich Goodluck Jonathan im Fall von Chibok wohl so schlecht wie nie in seiner ganzen Amtszeit. In den ersten drei Wochen nach der Entführung schwieg er beharrlich, was im Süden für jede Menge Spekulationen sorgte. Man begann zu zweifeln, ob es das Kidnapping tatsächlich gegeben hatte. Geplante Besuche in Chibok wurden mehrfach „aus Sicherheitsgründen“ und in letzter Minute abgesagt. Schließlich dauerte es Monate, bis der noch amtierende Präsident bereit war, die Eltern der Opfer in Abuja zu empfangen.

14 Apr 2015

AUTOREN

Katrin Gänsler

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