taz.de -- Schlesinger-Affäre beim RBB: Scherbengericht

Der Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses tagt zur RBB-Affäre. Der Rundfunkrat wählt die WDR-Managerin Katrin Vernau zur Interimsintendantin.
Bild: Amtierende Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats König mit amtierendem Intendanten Schulte-Kellinghaus

Wenn eine Vase zu Bruch geht, dann steht man vor einem Scherbenhaufen und kann natürlich anfangen, die Vase mühsam wieder zusammenzukleben. Aber selbst wenn man das schafft, wird sie am Ende nicht mehr so toll aussehen – und man wird sie dann eher nicht wieder aufstellen. Am Mittwochmorgen stand der Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vor dem Scherbenhaufen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und hat sich darüber ausgetauscht, wie man die Medienanstalt wieder zusammenkleben könnte.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Sachstand der Aufklärung [1][der Vorgänge im RBB und mögliche Konsequenzen] für die Novellierung des Medienstaatsvertrags“ diskutierten Ausschussmitglieder aus den Fraktionen mit geladenen Gästen über Wege aus der Krise, und befragten Jan Schulte-Kellinghaus, der den erkrankten geschäftsführenden Intendanten Hagen Brandstäter vertritt, ebenso wie Dorette König, amtierende Vorsitzende des Verwaltungsrats des RBB.

An verbalem Tatendrang fehlte es zunächst nicht. Manche schienen sogar eine Chance in der gegenwärtigen Krise des RBB zu erkennen: „Wir wollen zukunftsgerichtet sprechen“, sagte etwa Gollaleh Ahmadi von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, damit der RBB gestärkt aus der Krise hervorgehen könne. Severin Fischer, Chef der Senatskanzlei von Franziska Giffey betonte, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für den Senat „eine wichtige Stütze des öffentlichen Gemeinwesens sei“ – man werde alles dafür tun, „diese Anstalt zu stützen und wieder in geordnete Fahrwasser zu bringen“.

König, die derzeit den Vorsitz des wichtigsten Kontrollgremiums innehat, versicherte, dass sie nicht gewusst habe, dass die Ex-Intendantin Schlesinger und Ex-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf privat verkehrten. Sie klagte darüber, dass ihr Gremium ehrenamtlich arbeite und dass es in dieser Organisationsform an Grenzen stoße. Ein Eingeständnis, das zentrale Fragen aufwirft, die in den nächsten Monaten sicher umkämpft sein werden: Wie muss ein so wichtiges Kontrollgremium besetzt sein und arbeiten? Mit welchen finanziellen Mitteln und Kompetenzen muss es ausgestattet werden?

„Was uns fehlt, ist Augenhöhe“

Schulte-Kellinghaus beteuerte, dass es nicht nur darum gehe, das Vertrauen nach außen wiederherzustellen. „Auch das Vertrauen der Belegschaft in die Führung des RBB ist massiv gestört.“ Deshalb müsse jetzt aufgeklärt werden – unter anderem bei den vom Verwaltungsrat mittlerweile abgeschafften Boni und auch bezüglich des auf Eis gelegten Baus des digitalen Medienhauses. Das Bauprojekt stand in den letzten Monaten vor allem wegen dubioser Beraterverträge und steigender Kostenschätzungen im Fokus.

An der Aufklärung der Affäre arbeiten derzeit sowohl eine vom Verwaltungsrat beauftragte Kanzlei als auch die Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Geplant sei zudem ein Format für einen internen Aufklärungsprozess, bei dem die Mitarbeitenden einbezogen würden, so Schulte-Kellinghaus.

Dass sich das Vertrauen der Mitarbeiter:innen nicht allein mit warmen Bekenntnissen wiederherstellen lässt, das machte Christoph Reinhardt von der RBB-Freienvertretung deutlich. Er forderte mehr Mitbestimmung der Belegschaft, etwa durch eine paritätische Besetzung im Verwaltungsrat und sprach die Abgeordneten direkt an: „Was uns fehlt, ist Augenhöhe. Das ist Ihre Aufgabe, gehen Sie in den Staatsvertrag rein und setzen Sie die Rahmenbedingungen so, dass die Belegschaft mitwirken kann.“

Verärgert zeigte sich Reinhardt auch [2][über die Übergangsintendanz, die] in Potsdam vom RBB-Rundfunkrat gewählt wurde. Dass von der zuständigen Findungskommission eine einzige Person ohne Alternative als Übergangslösung zur Wahl gestellt wurde, sei kein gutes Zeichen für einen Neustart, so Reinhardt.

Am Nachmittag wählte der Rundfunkrat Katrin Vernau zur Interimsintendantin. Die 49-Jährige war seiot 2015 Verwaltungsdirektorin des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Sie war dort zuständig für die Bereiche gehören die Bereiche Personal, Finanzen, Gebäudewirtschaft, IT-Entwicklung, interne Organisationsberatung, Archive und Kantinenbetriebe.

Just an diesem für den RBB ereignisreichen Mittwoch hat Zeit Online ein Interview mit der Ex-Intendantin Schlesinger veröffentlicht: [3][„Ich habe den großen Unmut, die Wut der Leute beim RBB unterschätzt“], wird sie darin zitiert. Eine Wortmeldung, die nicht nur ihrem Inhalt, sondern auch ihrem Timing nach nicht sehr hilfreich beim Senderzusammenkleben sein dürfte.

7 Sep 2022

LINKS

[1] /Vorwuerfe-gegen-RBB-Intendantin/!5867820
[2] /Schlesinger-Nachfolge-beim-RBB/!5877250
[3] https://www.zeit.de/2022/37/patricia-schlesinger-affaere-rbb-intendantin

AUTOREN

Volkan Ağar

TAGS

RBB
Patricia Schlesinger
ARD
RBB
NDR
Patricia Schlesinger
Patricia Schlesinger
Patricia Schlesinger
RBB
Patricia Schlesinger

ARTIKEL ZUM THEMA

Berichtspflicht für RBB-Intendant:innen: Ein „systemisches Problem“

Erste Teilergebnisse des juristischen Gutachtens über Vorwürfe der Vetternwirtschaft liegen vor. Mehr Kontrollmechanismen werden gefordert.

Politik und Medien: Das Gefühl, mitspielen zu können

Wie nah dürfen sich Politik und Journalismus sein? Vorwürfe gegen NDR-Journalist*innen haben diese Frage über ein komplexes Verhältnis aktualisiert.

Die deutsche Nüchternheit: Von Protz und Pathos

Deutsche Führungsfiguren kleiden sich bevorzugt wie Sparkassen-Azubis. Was das mit der verinnerlichten Abneigung gegen Protz und Pathos zu tun hat.

Rundfunkrat wählt Interimsintendantin: Vom WDR zum RBB

Nach der Schlesinger-Affäre hat der RBB eine Interimsintendantin gewählt. Katrin Vernau ist bisher WDR-Verwaltungsdirektorin und gilt als feste Bank.

RBB in der Krise: Und alle gucken weg

Die Affäre Schlesinger demonstriert, wie die beitragsfinanzierte Mitnahmementalität funktioniert. Je höher der Status, desto größer das Ego.

Patricia Schlesinger unter Druck: RBB-Intendantin tritt zurück

Wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft stand RBB-Intendantin Patricia Schlesinger seit Wochen unter Druck. Nun verlässt sie den Sender.

Vorwürfe gegen RBB-Intendantin: Der Fall Schlesinger

Seit Wochen gibt es Vorwürfe gegen RBB-Chefin Patricia Schlesinger. Sie selbst streitet fast alles ab. Ein Überblick.