taz.de -- Debatte um Horrorclowns: Stirb, Clown, stirb!
Der Clown ist brav geworden. Oder er ist ein interventionistischer Künstler. Dabei soll er Kinder jagen. Ein Hoch auf die Horrorclowns.
Die Horrorclowns sind gekommen, um uns zu retten. Sie wecken uns auf, spielen Symbol des kollektiven Untergangs. Sie sind die Angst vor uns selbst – unser lähmender Alptraum, der uns hindert die Revolution einzuläuten. Da steht er vor uns.
Sie jagen Kinder, heißt es, kleine Kinder. Kinder, die nächste Generation. Wir werden alle elendig verrecken, sagt ihr intellektueller Anführer. Schaut her, wie du untergehst, Europa. Wir ersticken an unseren schönen Götterfunken, zerspant liegt die Tochter aus Elysium in der Ecke.
Wer ist schuld? Der gemeine Clown. Wie dem König von Gott befohlen war, das Volk zu regieren, hatten auch Clowns eine gesellschaftliche Aufgabe: die, uns den Spiegel vorzuhalten. Kritisch, locker, scharf und unschuldig. Am Ende einer gelungenen Clownsshow, so zeigen mittelalterliche Schriften, fand man das Publikum mit dem Kopf zwischen den Beinen und freiem Blick auf das eigene Arschloch.
Für so was haben wir heute keine Zeit. Der Spätkapitalismus bringt eine undifferenzierte Suppe von Anpassungsware hervor. Clowns in Traubenkostümen singen in Kitas Obstlieder. 14 Euro die Stunde. Die meisten Clowns findet man auf Firmenfesten und Kindergeburtstagen. Magic Malini nimmt bei Beschneidungsfeiern nach 18 Uhr 50 Euro extra. Koffer packen, schminken, gefallen.
Ah natürlich, die „interventionistischen Künstler“ gibt es noch. Interventionskünstler. Dieses Wort. Ein bleischwerer Sack des Establishments, der allen postmodernen Clowns aufgebürdet wird, die gute Arbeit machen wollen. Interventionskünstler. Der Staubsauger der Kulturproduktion steht saugbereit. Interventionskünstler. Verehrtes linksliberales Publikum, lacht und freut euch selbstgefällig. Liebe Interventionskünstler, bewerbt euch doch mal bei der Kulturstiftung des Bundes. Und Ruhe jetzt, die Show beginnt.
Die Horrorclowns sind eine Abmahnung an all die Clowns, die ihrer Rolle in der Gesellschaft nicht mehr gerecht werden. Randy Christensen, Präsident der World Clown Association, beschwert sich über sie. Imageprobleme für „uns“ Clowns, pöbelt er. Sein eigenes Programm ist gefällige Soße. Randy Christensen ist selbst eine Ausgeburt des spätkapitalistischen Entertainments. Sterbt doch aus, Luftballonclowns! Erstickt an eurem Popcorn.
Bis dahin, so die Hoffnung, bauen sich die ernstzunehmenden Clowns vor euch auf. Die [1][Hedonistischen Internationalen], die [2][Zentren für politische Schönheit], die [3][Ztohovens], die [4][Space Hijackers] und [5][Bitniks] – all die Clowns, die sich nie so nennen würden. Imagefrage. Die Randy Christensens haben es versaut.
Sie sind nicht zu buchen. Gehen nicht dort hin, wo es gefällt. Sie schmeißen uns unser Elysium ins Gesicht, lachen uns aus, bis die Schmerzgrenze erreicht ist, und der postmoderne König ein weiteres mal geköpft wird. Oder wenigstens einer seiner Mitarbeiter. Danke, Horrorclowns. Verjagt uns die Kommerz-Clowns, damit wir wieder arbeiten können.
Der Autor ist Mitglied des [6][peng-collective] und hat lange Zeit als Clown gearbeitet.
1 Nov 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Welt liegt schief auf unseren Schultern. Satire und Ironie können helfen, den Vormarsch der Autoritären zu verarbeiten – aber wie ihn aufhalten?
Fiese, aggressive Fratzen beschädigen den Ruf des Clowns. Dabei bräuchten wir alle wieder ein bisschen mehr von ihm.
Sie tragen Fratzenmasken und erschrecken ihre Mitmenschen: Horrorclowns treiben seit einiger Zeit auch in Deutschland ihr Unwesen.
Vattenfall wolle sich auf erneuerbare Energien ausrichten und 1.000 Flüchtlinge beschäftigen, hieß es auf einer Pressekonferenz in Berlin – ein Fake.
Ein Drachentöter will er sein – und tritt doch nur nach unten. Wolf Biermann hat seine Chance zur Rebellion verpasst. Andere nutzen sie umso mehr.
Junge Männer klauten Kindern Clown-Kostüme und verprügelten zwei Brüder. Ein 18-Jähriger ist nun zu einem Jahr Haft verurteilt worden.
Die Clowns auf Frankreichs Straßen sind ein pubertäres Phänomen, sagt Inke Arns. Doch der böse Clown gehört seit Langem zur westlichen Kultur.
Clowns, die im Stadtbild auftauchen: In Frankreich und den USA ist das ein verbreitetes Phänomen. Nicht wenigen machen die Rotnasen Angst.