taz.de -- Mesut Özil über die EM: „Ich ärgere die Leute gerne“
Der 23-Jährige Nationalspieler erzählt, was er als Spielmacher noch besser machen möchte. Und behauptet, ein Spaßvogel zu sein.
taz: Herr Özil, Sie sind seit zwei Jahren Stammspieler bei Real Madrid und in der Nationalelf. Platzen Sie vor Selbstbewusstsein?
Mesut Özil: Ich freue mich über diese Erfolge und auch über den Start bei dieser EM. Aber persönlich hat mich das nicht verändert. Ich bin immer noch der alte Mesut, der Spaß am Fußball hat.
2010 waren Sie noch nicht so bekannt, heute achten alle Verteidiger genau auf Sie. Ein Problem?
Klar, durch die vergangene WM bin ich populärer geworden, vor allem in Madrid, aber ich musste nichts an meiner Spielweise ändern. Ob mich da jetzt zwei oder drei Gegenspieler ausschalten wollen, darauf achte ich nicht. Eigentlich merke ich das gar nicht. Die Nationalelf und Real Madrid sind ohnehin Teams, gegen die sich die Gegner besonders anstrengen.
Wie viel spanischer Fußball steckt dank Real Madrid in Mesut Özil?
Ich habe mich körperlich entwickelt und durch Krafttraining drei bis vier Kilogramm zugenommen. Mehr sollten es aber nicht werden, damit ich nicht an Geschwindigkeit verliere. Ansonsten kommt es auch in Spanien auf die gleichen Dinge an wie in der Bundesliga. Auch hier wollen die kleineren Mannschaften besonders glänzen gegen Real. Wenn man so will, war meine Spielweise auch schon vor Madrid etwas spanisch, das konnte man auch schon bei Werder Bremen sehen.
Und außerhalb des Platzes? Sie sind jetzt auch Werbeträger.
Ich will mich nicht zu viel damit befassen, das macht mein Vater für mich. Ich will mich nur auf Fußball konzentrieren. Auch wenn ich weiß, dass Werbekampagnen dazugehören. Aber das muss sich dem Fußball unterordnen, dafür muss ich die Zeit haben.
Es wird bei dieser EM sehr viel Wert auf die Defensive gelegt. Wie gefällt das einem Offensivspieler wie Ihnen?
Es ist eben unser Konzept, sehr kompakt zu stehen. Das fängt schon vorne bei Mario Gomez an. Das haben wir in den ersten Spielen gut hinbekommen, gegen sehr starke Mannschaften. Alle müssen defensiv mitarbeiten, das geht heutzutage nicht mehr anders. Ich auch.
Und Ihr eigentlicher Job, die Offensive, die besonderen Momente?
Da habe ich eigentlich viele Freiheiten, ich bin ja Spielmacher. Ich kann mich vorne rechts und links bewegen, wie ich will. Ich muss aber eben auch immer an die Abwehr denken. Ich weiß, dass ich mich noch verbessern muss, vor allem muss ich torgefährlicher werden. Aber bisher habe ich keine schlechten EM-Spiele gemacht, finde ich. Portugal und Dänemark waren defensiv sehr stark, und gegen Holland hatte ich mit einem Pfostenschuss ein bisschen Pech. Ich bin sicher, ich werde in den nächsten Spielen noch besser werden.
Ihr Trainer José Mourinho sagt, Sie seien der beste Zehner der Welt. Sehen Sie das auch so?
Als mein Vereinstrainer weiß er, was ich kann. Und Mourinho widerspricht man lieber nicht.
Wenn Sie eine erfolgreiche EM spielen, winkt in diesem Jahr sogar der Titel des Weltfußballers.
Davon träumt jeder Spieler. Aber ich konzentriere mich jetzt nur auf das nächste Spiel.
Cristiano Ronaldo findet, Sie seien besonders witzig. Womit bringen Sie Ihre Kollegen denn zum Lachen?
Ich wirke vielleicht nach außen ruhig, aber in der Mannschaft und vor allem bei Real Madrid mache ich viele Späße. Ich ärgere die Leute gerne, und man kann die Spanier und Portugiesen bei Real schon mit der Ankündigung ärgern, dass wir sie bei der EM schlagen werden. Ich muss mir natürlich auch einiges anhören von ihnen, und dabei entwickeln sich dann witzige Wortgefechte.
Haben Sie während der EM Kontakt zu Ihren Kollegen von Real?
Mit Sergio Ramos, klar. Uns verbindet ein freundschaftliches Verhältnis. Aber ich schreibe nicht nur ihm SMS, sondern auch Karim Benzema oder Ronaldo. Wir gratulieren uns gegenseitig zu unseren Erfolgen.
Würden Sie sich freuen, wenn Philipp Lahm auch noch zu Real kommen würde?
Philipp ist ein Weltklassespieler. Er wäre für sehr viele Klubs wertvoll, auch für uns. Wenn er zu Real wechseln würde, würde uns das sehr freuen. Aber ich spreche mit ihm jetzt nicht über dieses Thema.
Sie spielen in der Freizeit hier auch Playstation. Teilen Sie Lionel Messis Einschätzung, als Spieler dabei noch zu lernen?
Da ist schon was dran. Der Kopf wird tatsächlich gefordert. Man muss auf die Schritte achten und darauf, was der Gegner macht. Da kann man sich als Spieler schon weiterentwickeln.
Ist Ihre Familie denn auch da?
Ja, darüber freue ich mich riesig, auch wenn mein Vater beim ersten Spiel nicht dabei sein konnte, weil er seinen Reisepass vergessen hatte.
Ihr Vater Mustafa ist Ihr größter Fan. Stolz ist er auch auf ein Essay des Literaturwissenschaftlers Hans Ulrich Gumbrecht in 11 Freunde, wie Mustafa Özil gern verrät. „Seine Pässe aus dem Nichts sind schwarze Löcher im Spiel“, heißt es da. Haben Sie das Stück auch gelesen?
Nee, ich hatte noch keine Zeit. Klingt aber nicht schlecht.
20 Jun 2012
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