taz.de -- Aushalten mit Trump-Anhängerinnen: Hilfe, meine Freundin mag Trump!

Kaitlyn ist 25, liebt Trump und Männer, die führen, lehnt Sex vor der Ehe ab und Liberale. Unsere Autorin fährt mit ihr zusammen in den Urlaub. Wie lassen sich mit Trump-Fans Freundschaften führen?
Bild: Ein schwieriges Bild: Der Freundin unserer Autorin geht Trump zu Herzen

[1][taz FUTURZWEI] | Kaitlyn könnte meine anderen Freunde nie treffen. Niemals. Schon ein gemeinsames Kaffeetrinken würde auf eine Volleskalation hinauslaufen.

Das Urteil wäre auf beiden Seiten vernichtend. Das ist nicht überraschend, denn Kaitlyn ist Trumpianerin. Kein [2][Sex] vor der Ehe und keine Schminke sind genauso Teil ihres Standard-Repertoires wie die Politik der derzeitigen US-Regierung. Manchmal klingt sie wie die Obersprecherin des [3][Weißen Hauses]. „Progressive people are loud and pushy,“ sagt Kaitlyn gerne.

Progressive sind wie ein Kaugummi, auf das man versehentlich tritt: Längst am Boden, nur noch lästig. Für Kaitlyn ist die Sache klar. [4][Trump] materialisiert den Sieg über die völlig verirrten Wokies und das Ende der Hegemonie ihrer Minderheitsideologie.

Wenn Kaitlyn ihre Welt beschreibt, kommt mir nichts bekannt vor. Alles geht gegen die progressiven Illusionen meiner Kindheit. Von denen bleibt sowieso nur noch die verstörende Realität einer sich entliberalisierenden Welt, in der sich immer weniger Menschen lieb haben. Wenigstens eine Gewissheit gibt es für uns noch. Am Niedergang sind Leute wie Kaitlyn schuld. Um es mit den Worten meiner anderen Freunde zu sagen, sie geht einfach gar nicht.

Kennenlernen – ohne Politik im Hinterkopf

Wir haben uns in einem kleinen Dorf in einem US-amerikanischen Flyover State kennengelernt. Es war mein Auslandsjahr, 11. Klasse. Von einer anderen Girls-Clique war ich gerade abserviert worden. Mutmaßlich aufgrund meiner unbedarften Party-Erzählungen aus [5][Berlin-Mitte], die sich nicht gerade um Keuschheitsringe drehten.

Kaitlyn wirkte lustig, provokant und vor allem – offen. Wir fuhren nach der Schule zum einzigen lokalen Etablissement, dem Dairy-Queen neben der Tankstelle. Über dem ersten Blizzard-Eis wurde klar: Sie findet alles politisch. Und für mich gibt es nichts, was es nicht ist. Schon damals waren wir nie einer Meinung, aber irgendwie war das okay, fast sogar aufregend.

Zu einer Zeit, als brave US-Familien längst nicht mehr über Politik redeten, wurden wir durch diesen beinah rebellischen Akt zu Freundinnen. Das ist zehn Jahre her und ich kriege immer noch fast jeden Tag Nachrichten von ihr. Und es geht immer voll zur Sache. „[6][Charlie Kirk] – was sagst du?“, schreibt sie, da liege ich schon im Bett. Egal welchen Streit der Algorithmus provoziert, wir sind nie einer Meinung. Als ich die Anklage der Schauspielerin Blake Lively gegen ihren Regisseur Justin Baldoni wegen sexueller Belästigung als Befreiungsschlag sah, war sie der Meinung, der arme Mann werde verleumdet. In meiner Empörung über [7][JD Vances] Rede auf der [8][Münchner Sicherheitskonferenz] sah sie seine Kritik an angeblich fehlender Meinungsfreiheit in [9][Europa] restlos bestätigt.

Das zwischen uns läuft eigentlich alles digital und an meinem Freundeskreis vorbei. Nur im Sommer, da steht Kaitlyn immer wieder mal mit ihrem Koffer vor mir. Dann hören meine anderen Freundinnen von ihr. Wie kannst du mit so jemandem immer noch befreundet sein, stöhnen die auch vor diesem Urlaub. Tja, wie kann ich?

Der gemeinsame Urlaub

Und doch sitzen wir zu zweit am Strand einer kleinen Stadt am Ionischen Meer und trinken auf Plastikstühlen unsere Limos. Alkohol oder Kaffee gibt’s auch im Urlaub nicht. Kaitlyns weißblonde Haare sind ganz glatt, ihr Kleid bedeckt wie immer ihre Schenkel. Sie kleidet sich modest. Religiöser Sprech dafür, Sexyness zu vermeiden.

„Ich glaube einfach nicht, dass es das [10][Patriarchat] gibt,“ sagt sie gerade. Es ist erst Tag zwei und ich fühle mich schon wie ein eingesperrtes Vögelchen. Ich verweise auf Catcalling, [11][Gender Pay Gap], die vielen sexuellen Übergriffe, die ich selbst erlebt habe, auf [12][Femizide]. [13][Gewalt] gegen Frauen liege leider inhärent in der Biologie der Männer, sagt Kaitlyn.

Aber das bedeute, wir Frauen müssten halt aufpassen, schlauer sein. Sie zwinkert ernsthaft. Zumindest hier sind wir uns einig: It’s a Man’s World. Aber sie stört nichts daran. Wie kannst du das nicht ungerecht finden, frage ich sie. Keine Reaktion. Kaitlyn erwartet von ihrem zukünftigen Mann, der strong leader of the household zu sein. Eine starke Führungspersönlichkeit. „Willst du etwa einen Weakling?“, fragt sie und lacht. Wir laufen zum Strand. Die Sonne meint es gut, es ist viel zu heiß zum Reden.

Wer ist Kaitlyn?

Kaitlyn ist 25 Jahre alt und nach ihren Maßstäben perfektes Wife-Material: Eifrig bereit, Hausfrau zu werden. Aber sie ist auch fleißig, schlau, gut ausgebildet und hat einen hochkarätigen Job. Die letzten Jahre war sie überall auf der Welt. Für Liberale ist das unangenehm, die Hillbilly-Schablone passt nicht.

Als klassische Protestwählerin lässt sie sich auch nicht abwiegeln. Nichts ist ihr ferner, als wegen irgendetwas „ungerecht“ zu schreien.

Nachdem die matchy Hotel-Handtücher ausgerollt sind, frage ich sie nach ihrer politischen Selbstbezeichnung. „I just believe in conservative values,“ sagt sie. Ich glaube an konservative Werte. Das bedeutet für sie: Alle sollen machen, was sie wollen. Aber das reiche den Progressiven nicht. „Sie wollen mich zwingen, ihren Unsinn auch noch gut zu finden,“ sagt sie jetzt empört.

Trumps Angriff auf demokratische Institutionen, auf [14][Wissenschaft], [15][Universitäten], Rechtsstaatlichkeit und [16][Meinungsfreiheit], die Deportationen, die brutale Spaltung der Gesellschaft, alles prallt an ihr ab.

Ein wokes Regime

Mit einem Argument habe ich sie dann mal: Trump ist definitiv kein aufrechter Konservativer. Sie druckst rum. Ja, aber der Kampf gegen Wokeness spreche trotzdem für ihn. Die hegemoniale These in liberalen Kreisen erklärt es so: Obama war zu viel. US-Amerika war nicht bereit. Und das hier – Kaitlyns Agitation – ist der Backlash.

Reaktionäre Männerkörper wie der von Trump werden reanimiert und gestreichelt, weil die Progressiven fast ein wokes Regime installiert hätten.

Wir laufen ins warme Meerwasser und ich traue mich: „Bin ich nicht auch woke?“, frage ich sie. Ihre Realität unterteilt die Welt politisch in konservativ-rechts (gut) und liberal-progressiv (bäh). Aus unerklärlichen Gründen habe ich es geschafft, nur als „[17][liberal]“ durchzugehen, ohne die fatale zweite Zuschreibung. „Liberale Ideen klingen in der Theorie gut, aber in der Praxis sind sie nicht so toll,“ sagt Kaitlyn.

Als Beispiel führt sie die Toilettennutzung von Transfrauen an. Und hier wird es reaktionär, sie sieht zu viel Potenzial, dass verkleidete Männer sich so an Frauen vergehen. Generell gäbe es einen riesigen Trend. Alle wollten auf einmal [18][trans] sein. Ihre Argumentation ist völlig absurd. Ich weise sie bestimmt darauf hin, dass sie gerade noch behauptet hat, alle Menschen zu akzeptieren. „Nicht, wenn sie mich einschränken,“ sagt sie. So funktioniert das reaktionäre Argument, der vermeintliche Angriff auf die eigene Identität wird zur Legitimationsstruktur für inhärentes Unrecht.

Das Pendeln der Perspektiven

Der große Vorteil an unserer digitalen Beziehung ist: Ich kann sie mit dem Handy einfach zur Seite legen. Hier am Strand geht das nicht. Bevor Kaitlyn jetzt weiterredet, gebe ich ihr schnell einen Kopfhörer. Wir hören Where is my husband? Eine Frage, die uns verbindet. Ich warne sie routinemäßig: Der Song benutzt „Swear Words“. Böse Schimpfwörter wie „Fuck“.

Während wir so im Sand liegen, kriege ich wieder das Gefühl, dass diese Freundschaft aus mir einen schlechten Menschen macht. Ich erinnere mich an gestern Abend. Da hatte Kaitlyn über einem Gyros-Pita mal wieder ihre rituelle Skepsis gegenüber der Klimakrise gepflegt, in kompletter Ignoranz der wissenschaftlichen Faktenlage. „Es war immer mal wärmer,“ sagte sie. Ich wehre mich mit allem, was ich weiß, aber das Schlimme in unserer gemeinsamen Woche ist: Oft habe ich ihr auch einfach nichts entgegenzusetzen. Sie lacht dann so gewinnerhaft.

Wir stehen auf den zwei Seiten der Gegenwart. [19][Algorithmus] und [20][Populismus] haben nur eine Mission, sie wollen uns immer weiter auseinandertreiben. „Also, ich könnte das nicht,“ sagte eine Freundin zu mir, bevor ich in den Urlaub fuhr. Kaitlyns Freundinnen sagen das Gleiche zu ihr. In den Peergroups, aus denen wir kommen, wird radikal sein belohnt. Selbstverständlich nur im eigenen Sinne. Vielleicht sind wir deswegen all die Jahre Freundinnen geblieben. Im Widerstand gegen das Narrativ der unvereinbaren Lebensrealitäten. Trotzig und bestimmt darin, dass Freundschaft doch auch mit Andersdenken möglich bleiben muss.

Aber das sagt sich so leicht. Die ganze Woche pendele ich zwischen zwei Perspektiven hin und her: Erstens, auch wenn Liberale es nicht wahrhaben wollen, Trump und seine Follower sind gekommen, um zu bleiben. Wenn wir keine Parallelrealitäten wollen, müssen Leute aneinander dranbleiben. Zweitens, für immer an Menschen festzuhalten – mögen sie noch so faktenfern und diskriminierend argumentieren – das geht nicht.

„Was würdest du tun, wenn dein Kind [21][homosexuell] wäre?“, fragt Kaitlyn mich in der Taverne.

Ich würde es lieben und unterstützen, was denn sonst?

„Ich wäre damit nicht einverstanden,“ sagt sie, als wäre es eine Frage der Zustimmung. Ich weiß nicht, ob unsere Freundschaft vorbei wäre, wenn ich plötzlich eine Partnerin hätte. Das habe ich mich nie getraut, sie zu fragen. Für viele Menschen wäre dieser gemeinsame Urlaub spätestens hier vorbei. Mit guten Gründen. Aber ich bin hier. Ich kann das aushalten. Ich denke: Das ist ein Privileg, ich muss es nutzen.

Am Ende der Woche verabschieden wir uns am Flughafen. Ich bin müde und sehne mich nach Wohlfühl-Terrain, will zurück in meine Kuscheldecken-Peergroup, die mich einhüllt und versteht und immer bejaht. Aber kaum ist Kaitlyn weg, vermisse ich sie.

🐾 Lesen Sie weiter: Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe N°35 unseres Magazins taz FUTURZWEI mit dem Titelthema „Das Wohnzimmer der Gesellschaft“ – [22][erhältlich im taz Shop].

24 Dec 2025

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AUTOREN

paulina unfried

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