taz.de -- Mahnung an die CDU: Walter-Lübcke-Denkmal vor die Tür gestellt

Mit einem „Walter-Lübcke-Memorial-Park“ konfrontiert das Zentrum für Politische Schönheit die CDU. Es warnt zudem vor einer Annäherung an die AfD.
Bild: Aktionskünstler*innen des ZPS in Aktion: „Walter-Lübcke-Memorial-Park“

Bedächtig legte eine ältere Dame einen roten Christstern auf dem glänzenden Bronzesockel ab. „Walter Lübcke (CDU). Ermordet am 2. Juni 2019 von einem Anhänger der ‚Alternative für Deutschland‘“, steht auf einer Plakette. Darüber erhebt sich die Bronzestatue des getöteten Politikers: Lübcke lächelnd, mit Schnurrbart, Brille und Anzug. Am Revers prangt ein Pin mit der Aufschrift „Refugees Welcome“.

Hinter dem „Walter Lübcke Memorial“ fließt die Spree, davor ragt das Konrad-Adenauer-Haus, die Bundeszentrale der CDU. Verantwortlich für die Aktion ist das [1][Künstler*innenkollektiv Zentrum für Politische Schönheit (ZPS)]. Das Denkmal soll erinnern und warnen: vor dem Vergessen und vor der Annäherung der CDU an Rechtsextreme.

„Walter Lübcke steht für Haltung – für die kompromisslose Verteidigung des Grundgesetzes gegen Hass, Entmenschlichung und Verrohung“, so das ZPS. „Er widersprach den extremistischen Ansichten der AfD öffentlich und grenzte sich von jeder Menschenfeindlichkeit ab. Dafür wurde er hingerichtet.“

Der Regierungspräsident von Kassel war 2019 von einem Anhänger der AfD ermordet worden. Im Gerichtsprozess schilderte der Täter, wie die AfD ihn 2018 in Chemnitz zur Tat angestachelt habe. Der Attentäter hatte für die AfD Wahlplakate aufgehängt, Flyer verteilt, an Veranstaltungen teilgenommen und Geld gespendet.

Denkmalprojekt für zwei Jahre genehmigt

Neben der Statue steht eine Stahlstele mit der Gravur „Walter-Lübcke-Platz“ sowie eine Bank, die ebenfalls damit versehen ist. An einem Infoterminal lassen sich Audiobeiträge zu Lübckes Leben, seiner Partei und seinem Tod abrufen.

Enthüllt wurde der „Walter-Lübcke-Memorial Park“ am Dienstagmorgen. „Keiner hat uns gestört“, sagt ein Aktivist zufrieden. „Wir haben Fundamente eingebracht und den Park vor den Augen von CDU und Polizei gebaut. Sie haben davon leider nichts mitbekommen“, so das ZPS. Das Denkmal sei vom Bezirksamt Mitte für zwei Jahre genehmigt worden.

Drückt man auf der Infotafel den Knopf „sein Tod“, ertönt eine Stimme: „Lübckes Ermordung ist der erste politisch motivierte Mord an einem Amtsträger der Bundesrepublik Deutschland durch einen Anhänger der AfD.“ Und weiter: „Nach dem Mord war die Betroffenheit groß – und das Schweigen größer. [2][Bundeskanzler Friedrich Merz schwieg 17 Tage lang, bevor er sich äußerte].“

Weitere Veranstaltungen geplant

„Wer mahnt die CDU“, fragt Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des Projekts, „die sich als Brandmauer bezeichnet, aber gleichzeitig mit einer Partei flirtet, die selbst der Staat als gesichert rechtsextrem einstuft?“ Demokratien würden nicht gestürzt – sie würden verraten. Historisch wie aktuell geschehe das durch den Schulterschluss zwischen Konservativen und Faschisten. „Das Denkmal ist ein Appell an die politische Kraft, die zur einzigen Machtoption der AfD geworden ist: die CDU.“

Am Dienstagmorgen sind Aktionskünstler*innen in orangefarbenen Westen unterwegs, spannen Absperrband und richten den Platz her. Sie haben noch einiges vor: Am Mittwoch wird der „Memorial Park“ durch die Bezirksbürgermeisterin und Politiker*innen eröffnet. „Abgeordnete der CDU/CSU sind ausdrücklich eingeladen und werden bevorzugt behandelt“, so das ZPS. Die Zivilgesellschaft wird gebeten, Blumen und Botschaften für die CDU mitzubringen.

Am Freitagnachmittag ist eine Gedenkveranstaltung für Lübcke geplant. Hauptredner ist Michel Friedman. Der Publizist war einen Tag nach der Verabschiedung eines migrationspolitischen Entschließungsantrags der Union, der im Bundestag lediglich mit Stimmen der AfD eine Mehrheit erreichte, aus der CDU ausgetreten.

Von der CDU gibt es mittlerweile eine Reaktion auf die Aktion. Man verwahre sich „gegen die unaufrichtige Instrumentalisierung von Walter Lübcke durch linke Aktivisten wie das Zentrum für Politische Schönheit“, sagte eine Sprecherin. Der Kampf gegen den politischen Extremismus und die Feinde unserer Demokratie sei eine Aufgabe aller Demokraten in unserem Land. „Wer diesen Kampf aufrichtig mit uns führen will, darf sich nicht gegen die politische Mitte wenden.“

Unter [3][cdu-denkmal.de] wird das Projekt per Crowdfunding finanziert.

2 Dec 2025

LINKS

[1] /Zentrum-fuer-Politische-Schoenheit/!6067300
[2] /CDU-Chef-instrumentalisiert-rechten-Mord/!6072885
[3] https://cdu-denkmal.de/

AUTOREN

Lilly Schröder

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