taz.de -- Pasolini und Carpaccio im Museum: Der Kinomoment
Die Berliner Gemäldegalerie sucht nach künstlerischen Einflüssen auf den Bürgerschreck Pasolini und findet sie ausgerechnet in der Frührenaissance.
50 Jahre ist es her, dass Pier Paolo Pasolini ermordet wurde, vor 500 Jahren starb der venezianische Maler Vittore Carpaccio. Die Berliner Gemäldegalerie versucht, anlässlich der anstehenden Carpaccio-Schau, die Geschichten der verschiedenen Künstler narrativ zu verschränken: Unter der Überschrift „Lieblingskünstler Pasolinis“ stellte Kunsthistoriker Neville Rowley Werke aus der hochkarätigen Sammlung des Hauses vor.
Bei [1][Caravaggio] war die Sache klar: Die Dramatik, die düstere Farbpalette, die hyperrealistischen Randfiguren aus dem Volk lassen an Pasolinis geschundene Proletarier denken. Düster auch das Selbstporträt von Lorenzo Lotto, in dem der Kurator das „graue Licht der Poebene“ sah – Pasolini stammte aus Bologna. Einen „cinematografischen Moment“ galt es in einem Florentiner Geburtsteller zu entdecken. Ob Pasolini diesen Teller kannte? In Giottos „Marientod“ konnte, wer wollte, einen Vorboten der Massenszenen aus Pasolinis Matthäusevangelium sehen.
Wer der Restauratorin Babette Hartwieg zuhörte, erfuhr, wie schwierig es war, [2][Carpaccios Meisterwerk] „Die Grabbereitung Christi“ zu restaurieren. Am farbenfroh rundum erneuerten Bild „Die Weihe des heiligen Stephanus“ zeigte sie, was heute alles möglich ist. Als sie von der in Bleiweiß skizzierten, verschachtelten Stadtlandschaft erzählte, die bei der Durchleuchtung zum Vorschein kam, war er da, der cinematografische Moment. Die Höhlen von Matera, Agamben als Philippus – kurz sind Frührenaissance und Neorealismus im Kopf verschaltet.
22 Nov 2025
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