taz.de -- taz-Chef:innen über Lehren aus 2025: Gemeinschaft macht Mut, macht stark
Ob Weltlage oder Seitenwende – für Leser:innen und tazler:innen war 2025 aufreibend. Aber wir haben dieses Jahr überstanden, weil wir zusammenstehen. Zeit für eine Bilanz der taz-Chef:innen.
[1][Aus der taz] | Am Ende dieses Jahres, in dem so vieles unsicher schien und das uns allen so viel abverlangt hat, möchten wir Ihnen, liebe Leser:innen, liebe Genoss:innen, vor allem eines sagen: Danke.
Nicht als Floskel, sondern als Ausdruck echter Verbundenheit. Ohne Sie – Ihre Treue, Ihre Kritik und auch Ihre Bereitschaft, die taz wochentags in neuen, digitalen Formen zu lesen – gäbe es diese Zeitung nicht. Schon gar nicht so, papierlos von Montag bis Freitag, aber mit der gleichen journalistischen Stärke.
2025 war ein Jahr, in dem sich politische Verwerfungen mehr denn je zuspitzten. Das spiegelte sich nicht nur in großen Schlagzeilen wider, die wir alle im Halbschlaf aufsagen können, sondern auch im oft Übersehenen: Dort, wo rechte Listen in Rathäusern Zuwachs erhielten; wo Lehrkräfte beobachteten, wie rechte Narrative aus dem Netz in Klassenzimmern auftauchen; wo Sozialverbände von Anfeindungen berichteten und wo versucht wurde, Journalist:innen einzuschüchtern.
Es braucht linke, solidarische Stimmen
Gleichzeitig war es ein Jahr, in dem sich Menschen zu Tausenden solchen Entwicklungen in den Weg stellten, wie etwa in Gießen der Gründung einer neuen Jugendorganisation der AfD; ein Jahr, in dem demokratische Bewegungen und Proteste in Serbien oder Argentinien wuchsen. Diese Kräfte eint, dass sie mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit fordern, Rechtes anprangern. Was wir auch gemerkt haben, ist, dass sich die jüngere Generation politisch wieder mehr einmischt. Gemeinschaft macht Mut – und stark.
„In einem Medienumfeld, in dem große Häuser und ihre Zeitungen seit Jahren fusionieren sowie kleinere Blätter verschwinden, bleibt die taz ein Gegenentwurf: leser:innenfinanziert statt interessengeleitet“
Wir sind uns mit Ihnen, unseren Leser:innen und Genoss:innen, einig, dass es aufrichtigen und unabhängigen Journalismus braucht, um über die politischen Ereignisse in aller Welt zu berichten. Unser Journalismus trägt seinen Teil dazu bei, dass die Polarisierung der Gesellschaft nicht weiter voranschreitet.
Kurzum: Es braucht linke, solidarische Stimmen, die nicht einknicken, sondern Haltung zeigen, wenn es drauf ankommt. Eine Stimme wie die unsrige, die nicht im kommerziellen Getöse untergeht, weil sie sich Konzernen, Investoren oder Tech-Bros mit ihren Algorithmen verdankt – sondern Ihnen.
Entscheidungen, die wehtun
Als Verleger:innen und Verantwortliche spüren wir täglich, was diese Unabhängigkeit bedeutet. Sie ist gelebte Praxis, Tag für Tag: wenn Redakteur:innen frei recherchieren können, weil keine Anzeigenabteilung interveniert; wenn wir Schwerpunkte setzen, die nicht an Klickraten hängen; weil wir an Themen dranbleiben können, wenn der Nachrichtenwert im täglichen Aufmerksamkeitswettkampf schon wieder nachgelassen hat.
Um dies zu erhalten, müssen wir uns aber auch immer wieder verändern – und das zu Ende gehende Jahr 2025 war eines mit besonders großen Veränderungen bei uns, bei Ihrer taz. Diese Transformation ist ein Kraftakt, und sie bleibt es, selbst wenn auch wir es nicht mehr hören können.
Sie verlangt Entscheidungen, die wehtun, Investitionen in Technik, die erst mal mehr Schwierigkeiten als Entlastungen bringt, Ideen für neue Erzählformen einer digitalen Zeitung, die wir selber noch weiter lernen müssen. Und sie verlangt Mut – etwas zu bewahren, indem man es verändert. Doch genau das ist taz: Veränderung nicht als Risiko, sondern als Chance. Wir glauben nicht an das viel beschworene Zeitungssterben an sich, sondern an die Veränderbarkeit von Zeitung, damit sie weiter erscheinen kann.
Leser:innenfinanziert statt interessengeleitet
In einem Medienumfeld, in dem große Häuser und ihre Zeitungen seit Jahren fusionieren sowie kleinere Blätter verschwinden, bleibt die taz ein Gegenentwurf: leser:innenfinanziert statt interessengeleitet. Genossenschaftlich statt kapitalinvestoren-hierarchisch. Ihre Unterstützung, Ihr Vertrauen, Ihre Treue, Abos umzuwandeln oder neu abzuschließen, auch Ihre Kritik – all das ist keine Selbstverständlichkeit. Mehr ein politisches Statement.
Die Seitenwende, die wir nun gemeinsam geschafft haben, ist Ausdruck dieser Überzeugung: Kritischer Journalismus lebt nicht vom Papier, sondern von Haltung – und von einer Gemeinschaft, die zusammensteht.
Wir wissen, dass Veränderungen Kraft kosten. Dass Rituale sich verändern. Wir sind jeden Tag mit Ihnen in Kontakt und begleiten Sie auf diesem Weg – getragen davon, dass ja auch Sie uns begleiten. Wir schmelzen täglich bei Rückmeldungen dahin, wenn wir erfahren, wie viele von Ihnen ihre Lesegewohnheiten umstellen.
Wir sind gerührt von Fotos vom Frühstückstisch mit Tablet, vom Adventskalender mit taz-Titel-Schnipseln, bei Danksagungen, dass der morgendliche Gang vom dritten Stock zum Briefkasten dank digitaler taz erspart bleibt und bei Erzählungen, dass das Teilen der Zeitung mit mehreren digitalen Zugängen zu weniger Stress zu Hause führt.
Zuversichtlich und dankbar
Diese Anekdoten rufen wir uns hier über die Tische zu, wir schicken sie über den internen Verteiler der Mitarbeiter:innen – sie tragen uns. Sie zeigen: Hinter der taz stehen Menschen, denen eine linke unabhängige Zeitung wichtiger ist als die Art, wie sie gewohnt sind, sie zu lesen.
Das macht uns zuversichtlich und dankbar. Die kommenden Zeiten bleiben anspruchsvoll. Aber wir haben etwas, das uns von anderen unterscheidet: diese Community.
Zum Jahresende wünschen wir Ihnen Erholung, Zuversicht und jene Kampfeslust, die wächst, wenn man weiß: Wir sind viele. Wir halten zusammen für eine gerechte, offene Gesellschaft.
Abermals: Danke, dass Sie sich mit uns verändern. Danke, dass Sie bleiben. Danke, dass Sie uns immer wieder ermutigen.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Liebsten solidarische Feiertage – und uns allen ein gutes neues Jahr 2026.
🐾 Andreas Marggraf und Aline Lüllmann bilden die Geschäftsführung der taz
23 Dec 2025