taz.de -- Menstruationsprodukte: Als die Tasse fast den Tampon ersetzt hätte

Leona Chalmers gilt als Mutter der Menstruationstasse, ihre Erfindung setzte sich vor 90 Jahren aber nicht durch. Heute boomt das Geschäft.
Bild: Die ersten Entwürfe waren aus Hartgummi oder Aluminium, heute besteht die Menstruationstasse aus Silikon oder weichem Gummi

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Menstruation als unrein und Privatsache, sogar als Krankheit. Menstruierende nähten ihre eigenen Binden aus Stoffresten, die mithilfe spezieller Gürtel in Position gehalten wurden. Oder sie rollten Baumwollpads in Tamponform, um die Blutung aufzufangen. Meist waren es Männer, die wenig hilfreiche Menstruationstassen aus Hartgummi oder sogar Aluminium entwickelten. Erst allmählich kamen die ersten Einmalbinden auf den Markt.

Gleichzeitig veränderte sich langsam die gesellschaftliche Stellung der Frau. Seit dem Männermangel nach dem Ersten Weltkrieg arbeiteten immer mehr Frauen. Im Jahr 1918 wurde [1][in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt], in den USA im Jahr 1920.

In dieser Zeit lebte die US-amerikanische Schauspielerin Leona Watson Chalmers, die 1909 am [2][Broadway] ihre erste große Rolle ergatterte. Im Arbeitsstress und mit Auftritten in weißen Seidenkleidern suchte sie nach einer Lösung für den Umgang mit ihrer Periode – und entwickelte sie prompt selbst.

Die von ihr entworfene Menstruationstasse bestand aus vulkanisiertem Gummi. Das Material ist weicher und flexibler als Hartgummi und Aluminium. Sie nannte den Cup Tassette und brachte ihn 1937 auf den Markt.

Sie bewarb ihre Menstruationstassen mit dem Satz: „It took a woman to ease women’s most trying ordeal“, also: „Es bedurfte einer Frau, um Frauen bei ihrer schwersten Prüfung zu helfen.“ Doch dabei blieb es nicht. Chalmers sprach Themen an, die damals nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wurden, wie Geschlechtskrankheiten, Ausfluss und unangenehme Gerüche. Sie schrieb auch Bücher, in denen sie die Themen [3][weibliche Hygiene und Menstruation] behandelte. Da sie selbst nicht über genügend Fachkenntnisse verfügte, beriet sie sich mit Ärzt:innen.

Der Wattepfropf setzte sich durch

Tatsächlich scheiterte die Menstruationstasse an ihren besten Eigenschaften. Zum einen brach der Zweite Weltkrieg aus und machte Gummi für die Produktion in den USA zu einer Rarität. Zum anderen kam 1936, also nur ein Jahr zuvor, der Tampon auf den Markt.

Er wurde während des Zweiten Weltkriegs immer beliebter, weil er Menstruierenden erlaubte, als Arbeitskräfte einsatzbereit zu bleiben. Außerdem rührten die Tamponhersteller, Firmen mit mehr Kapital als Leona Chalmers Kleinunternehmen, die Werbetrommel. Einweg wurde Mode und der Wattepfropf setzte sich gegen das Mehrwegprodukt durch.

Dennoch ist die Menstruationstasse heute eines der beliebtesten Menstruationsprodukte in Deutschland. Die Tasse wird neben Silikon und thermoplastischem Elastomer oft noch immer aus dem Gummi hergestellt, das Chalmers verwendete. Nach Jahrzehnten der Tampon-Vorherrschaft scheinen Menstruierende die Vorteile der Tasse heute zu schätzen: Sie ist kosteneffizient, nachhaltig und gibt ein gutes Körpergefühl. Chalmers hat diese Entwicklung angestoßen – und war damit der Zeit knapp hundert Jahre voraus.

17 Nov 2025

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AUTOREN

Chiara Bachels

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