taz.de -- Nahost-Waffenstillstand: Nur der Egomane aus Washington konnte Netanjahu stoppen
Der Krieg im Gazastreifen hätte längst beendet werden können. Es brauchte einen Populisten, um einem anderen den Riegel vorzuschieben.
Vielleicht schon am Sonntag, spätestens Anfang kommender Woche sollen die letzten israelischen Geiseln endlich in Freiheit kommen. Freude und Erleichterung bei ihren Angehörigen mischen sich mit der Sorge darüber, in welchem Zustand die Überlebenden sind, und mit der Trauer über die Toten. Ähnlich gemischt ist die Dankbarkeit für den Einsatz von US-Präsident Donald Trump mit dem Vorwurf, warum zum Teufel er nur so lange dafür brauchte, dieses schreckliche Leid und Blutvergießen zu beenden.
Vor den Müttern und Vätern der Israelis, die zwei ganze Jahre in den Händen palästinensischer Terroristen ausharren mussten, liegen bange Stunden. Und vor den PalästinenserInnen, die sich auf den Weg zurück nach Hause machen, nicht wissend, was sie dort erwartet. Wie viel Leid und wie viele Todesopfer hätten den Menschen auf beiden Seiten des Konflikts erspart werden können, wäre Trump nur schon früher zu der Einsicht geraten, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn er Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu das Schicksal des Nahen Ostens überlässt.
Der Angriff der israelischen Luftwaffe auf führende Hamas-Funktionäre in Katar führte schließlich zum Umdenken. „[1][Jedes Mal, wenn es Fortschritte gibt, bombardiert er irgendwo]“, kommentierte Trump im September zu Recht erbost über Netanjahu, von dem er sich persönlich brüskiert fühlte. Kein anderer als Trump konnte einen Einfluss auf den Regierungschef in Jerusalem nehmen.
Die mahnenden Worte, reihenweise Anerkennung Palästinas oder gar Waffenembargos aus aller Welt haben nichts bewirkt. Insofern ist auch die Debatte etwas müßig, ob die Bundesregierung mit [2][weiteren Maßnahmen gegen Israel] tatsächlich etwas am Verlauf des Krieges hätte ändern können. Dass [3][Bundeskanzler Friedrich Merz] Deutschland nun beim Wiederaufbau des zerbombten Gazastreifens mit in der Pflicht sieht, ist lobenswert.
Jetzt will Merz helfen
Medizinische Hilfe, Zelte, Nahrungsmittel soll Deutschland bezahlen und daran mitwirken, die Wasser- und Energieversorgung rasch wieder herzustellen. Für finanzielle Mittel ist Deutschland gut, aber Reformprozesse der Palästinensischen Autonomiebehörde antreiben, wie Merz es plant? Damit hat sich der Kanzler wohl übernommen. Dieses Vorhaben ist in der Vergangenheit schon schiefgegangen. Kleine Schritte in die richtige Richtung sind angesagt. Das Leid der Menschen zu lindern, soweit es geht.
Und ja: Trump verdient trotz allem Applaus. Besser spät als nie, so einfach ist es. Der US-Präsident reist nach Jerusalem. Diese Gelegenheit, sich noch mal richtig feiern zu lassen, lässt sich der Egomane aus Washington nicht entgehen. Vielleicht hält er sogar eine Rede in der Knesset, wo er mit Standing Ovations rechnen kann. Nur nicht von den Rechtsradikalen in der Koalition, die dann vermutlich vor der Tür warten und überlegen, wie das Abkommen doch noch zum Scheitern gebracht werden kann.
11 Oct 2025
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