taz.de -- Verkehrswende: Grüne werfen Regierung Planlosigkeit vor
Das Verkehrsministerium muss Vorschläge vorlegen, wie es die Klimaziele erreichen will. Doch es herrsche Ratlosigkeit, kritisieren die Grünen.
Berlin taz | Die Grünen werfen Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) vor, trotz Beratung durch ein Expert*innengremium keinen Plan zu haben, wie CO₂-Emissionen eingespart werden können. „Wenn es um den Klimaschutz im Verkehr geht, herrscht im Ministerium erschreckende Ratlosigkeit“, sagte Swantje Michaelsen, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, der taz.
Schnieder hatte im Juni das Expertenforum klimafreundliche Mobilität und Infrastruktur (EKMI) ins Leben gerufen, um sein Ministerium bei der Entwicklung von Maßnahmen für den Verkehrssektor zu unterstützen – im Rahmen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung. Schnieder muss im Herbst darlegen, wie Straße, Schiene und Flugverkehr ihre Klimaziele einhalten können. So sieht es das Klimaschutzgesetz vor.
[1][Derzeit prognostiziert der Expertenrat Klima], der die Bundesregierung in Klimafragen berät, dass der Verkehrssektor sein gesetzliches Klimaziel bis 2030 um 167 Millionen Tonnen CO₂ verfehlt, mehr als jeder andere Bereich.
„Wir halten an unseren Klimazielen fest – [2][auch im Verkehrssektor]“, sagte Schnieder bei der Vorstellung des EKMI. „Durch die vielfältigen Impulse aus allen Bereichen wollen wir tragfähige Lösungen schaffen für eine klimafreundliche Mobilität, die den Menschen zugutekommt.“
Expert*innenforum: Koalitionsvertrag reicht nicht aus
[3][In seinem Gutachten] kommt das EKMI allerdings zu dem Schluss, dass die Klimaschutzmaßnahmen aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht ausreichen, um ausreichend Emissionen einzusparen. Dazu gehören zum Beispiel Kaufanreize für E-Autos, die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets und Investitionszuschüsse für die Reaktivierung von Gütergleisen.
Die Maßnahmen leisteten zwar einen positiven Beitrag, „gleichwohl erscheint es erforderlich, das Maßnahmenportfolio durch zusätzliche Maßnahmen zu ergänzen, um einen hinreichenden Beitrag zur Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sicherzustellen“.
Das EKMI schlägt zum Beispiel vor, Preise an E-Ladesäulen zu senken und verschiedene Verordnungen zu ändern, um mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bekommen.
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion betont das Verkehrsministerium, dass der Bericht des EKMI keinesfalls erschöpfend alle Maßnahmen aufliste, die das Ministerium in sein Klimaschutzprogramm aufnehmen will. Die konkrete Ausgestaltung sei „Teil des laufenden Prozesses“.
„Industrie-Stammtisch“, sagt Grünen-Abgeordnete
Der Grünen-Abgeordneten Michaelsen reicht das nicht: „Bereits im Herbst sollen Vorschläge zum Klimaschutzprogramm vorliegen, doch das Ministerium kann weder Maßnahmen noch deren CO₂-Einsparungspotenzial benennen. Das ist kein Arbeitsplan, das ist Arbeitsverweigerung oder Versagen“, sagt sie.
Mehr hat Michaelsen aber auch nicht erwartet: „Das EKMI erweist sich als das, was viele befürchtet haben: ein Feigenblatt, um echte Klimaschutzmaßnahmen weiter aufzuschieben.“ Schon in der Zusammensetzung sei das EKMI „kein Expertenforum, sondern ein Industrie-Stammtisch“.
Tatsächlich bestand das Gremium vor allem aus Vertreter*innen der großen Lobbyverbände wie dem Verband der Automobilindustrie, dem ADAC, dem Bundesverband Schienennahverkehr und dem Bundesverband der deutschen Industrie.
Denkfabriken mit Klima-Fokus stellten nur vier der insgesamt 27 Mitglieder. Der Fahrradverband ADFC war gar nicht am Tisch. Das sei „eine Ansammlung von Lobby-Vertretern aus Straßenbau und Automobilindustrie, während Umwelt- und Klimaschutzverbände weitgehend außen vor bleiben“, sagt Michaelsen.
Das Verkehrsministerium verweist darauf, wie wenig Zeit für die Einberufung des Gremiums und seine Arbeit geblieben sei, [4][weil das Klimaschutzprogramm bald fertig sein muss]. Deshalb wurde „die Größe des Expertenrats bewusst überschaubar gehalten“.
Alle Mitglieder verfügten aber nach Auffasung des Ministeriums „über eine breite Expertise, welche die Diskussion und Einschätzung ökologischer, ökonomischer und sozialer Folgewirkungen ermöglicht“.
8 Sep 2025
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