taz.de -- Israelsolidarischer Linker Büttner: Nahost-Streit füllt das Sommerloch

Brandenburgs Antisemitismusbeauftragter Andreas Büttner wehrt sich gegen einen beantragten Partei-Ausschluss. Er wolle wie gehabt weitermachen.
Bild: Andreas Büttner, Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg

Berlin taz | Wenn Andreas Büttner, Brandenburger Linker und Antisemitismusbeauftragter des Landes, auf X Stellung zu einem gegen ihn angestrengten Parteiausschlussverfahren bezieht, dann darf Pathos nicht fehlen – wie immer, wenn sich Linke über ihre Positionierung zu Nahost streiten. Da ist dann also die Rede von „keinem Zentimeter“, den er weichen werde, von „Haltung“, die man nicht aufgeben dürfe „nur weil der Preis dafür steigt“. Garniert ist der Beitrag vom Sonntag mit einem kürzlich von der Hamas veröffentlichten Bild einer israelischen Geisel.

Nun könnte man meinen, in der Linken eskaliert erneut der Streit über Nahost, trotz aller Appelle zur „radikalen Freundlichkeit“, trotz aller [1][Bemühungen um einen humanistischen Konsens]. Das allerdings stimmt nur bedingt. Denn der Ausschlussantrag, den neun unbekannte Mitglieder gegen Büttner aufgrund dessen einseitiger pro-israelischer Positionierungen gestellt haben, und der derzeit mediale Kreise zieht, ist längst bekannt. Bereits im Mai war dieser öffentlich geworden und ist seitdem [2][im Netz auffindbar]. Warum es jetzt Thema ist, mag selbst der Pressesprecher der Bundespartei nicht erklären. Womöglich „Sommerloch“, heißt es da.

Die einzige Entwicklung ist wohl, dass Büttner der Antrag erst kürzlich zugestellt wurde, was zugleich bedeutet, dass sich die Landesschiedskommission Brandenburg, die über den Ausschluss entscheiden muss, noch gar nicht damit befasst hat. Weil sich nun aber Büttner und weitere Partei-Offizielle dazu äußern, ist es eben doch ein Thema.

Die Antragsteller:innen werfen Büttner vor, „erheblich gegen Grundsätze und/oder Ordnung der Partei verstoßen“ zu haben und „in seinen Argumentationen zum Teil auch das geltende Völkerrecht“ zu ignorieren. Konkret benannt werden etwa seine Legitimierung der israelischen Besatzung der Golanhöhen (Israel habe das Gebiet „annektiert – Ende der Geschichte. Der Golan gehört zu Israel“) oder seine Positionierung gegen die Anerkennung eines palästinensischen Staates („Für die Gründung eines Staates musst du eine Regierung haben, ein Staatsvolk haben und ein Staatsgebiet haben“).

Keine Selbstkritik, nirgends

Büttner hat gegen den Vorwurf, er verstoße gegen Parteibeschlüsse, etwa denjenigen, [3][nicht mehr die IHRA-Definition zu Antisemitismus zu verwenden], wiederholt betont, als Einzelmitglied nicht daran gebunden zu sein („Der Beschluss ist für mich irrelevant“). Er dürfte damit formal recht haben. Die Frage ist eher: Ist sein Verhalten parteischädigend? Er selbst bezeichnete in einem Tagesspiegel-Interview den Antrag als „Versuch, Debatten zu unterbinden“. Rückendeckung erhielt er von Brandenburgs Landeschef Sebastian Walter.

Der bislang einzig bekannte Parteiausschluss wegen einer Nahost-Positionierung traf den [4][Berliner Anti-Israel-Aktivisten Ramsis Kilani] nach dessen Verteidigung des Hamas-Angriffs auf Israel. Zudem hatte sich der Parteivorstand im Mai von seinem Mitglied Ulrike Eifler distanziert, die eine Karte geteilt hatte, in der Israel und die palästinensischen Gebiete in den palästinensischen Farben eingefärbt waren.

Gegen den Vorstands-Beschluss kursierte dann ein Offener Brief mit scharfer Kritik am Parteivorstand. Darin hieß es: „Denn wer innerhalb der Partei wiederholt Diskursräume autoritär verengt, gefährdet nicht nur die innerparteiliche Debattenkultur, sondern stellt auch die demokratische Verfasstheit einer linken Partei in Frage.“

4 Aug 2025

LINKS

[1] /Linksparteitag-in-Halle/!6043667
[2] https://x.com/ComradeBobbycar/status/1920772238120235402
[3] /Linkspartei-und-Antisemitismus/!6084443
[4] /Streit-ueber-Antisemitismus/!6045837

AUTOREN

Erik Peter

TAGS

Die Linke
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Social-Auswahl
Reden wir darüber
Antisemitismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Israelkritik
Linke Szene

ARTIKEL ZUM THEMA

Antisemitismus an Universitäten: Eine Atmosphäre der Angst

Ein neuer Bericht zeigt, wie Antisemitismus in Europa jüdische Studierende bedroht. Auch Vorfeldorganisationen von Terrorgruppen mischen demnach mit.

Linke-Veranstaltung zu Palästina: Gegen Genozid und Genossen

Bei der umstrittenen Veranstaltung der Neuköllner Linken zu Palästina bleibt der erwartete Eklat aus. Vor allem wird gegen die eigene Partei gewettert.

Debatte um Neuköllner Linke: Free Palestine und No Hamas

Die Solidarität mit Palästina ist wichtig, aber sie braucht rote Linien. Ein Teil der palästinasolidarischen Linken scheitert daran.

Linkenpolitikerin über Antisemitismus-AG: „Das Thema begleitet linke Strukturen schon lange“

Weil es antisemitische Tendenzen in ihrer Partei gebe, hat die Lüneburger Linke Marianne Esders die AG „Gegen jeden Antisemitismus“ mitgegründet.

Linkspartei und Antisemitismus: Mehr als ein Streit um Worte

Der Zentralrat der Juden wirft der Linkspartei vor, Antisemitismus zu befördern. Dabei ist die Jerusalemer Erklärung alles andere als das.

Polizist über Berliner CDU-Plan: „Tief in die Mottenkiste gegriffen“

Der Aktionsplan der CDU ist überflüssig, die Konzepte zur Befriedung der Rigaer Straße sind untauglich, sagt Andreas Büttner von der AG Linke Polizisten.