taz.de -- Rückzug von Jette Nietzard: Keine Tränen, aber ein Nachgeschmack
Viel Rückhalt hatte die scheidende Chefin der Grünen Jugend in der Partei nicht mehr. Für Nietzards Kritik am Umgang mit ihr gibt es aber Verständnis.
Berlin taz | Einen Namen hat sich Jette Nietzard gemacht, das muss man ihr lassen. Erst seit neun Monaten ist sie als Bundessprecherin der Grünen Jugend im Amt. Ein Posten, der die große Aufmerksamkeit nicht unbedingt garantiert: Manche ihre Vorgänger*innen haben zwei volle Amtszeiten absolviert und blieben der breiteren Öffentlichkeit trotzdem unbekannt.
Nietzard aber hat es mit der Ankündigung [1][aus ihrem jüngsten Instagram-Video] sogar zur Eilmeldung auf tagesschau.de gebracht. „Grüne-Jugend-Chefin Nietzard kandidiert nicht erneut“, stand dort am Dienstag Vormittag rot umrandet – ganz so, als habe gerade eine Ministerin ihren Rückzug erklärt.
Vor allem provokanten Posts in den sozialen Medien hat die 26-Jährige ihren hohen Bekanntheitsgrad zu verdanken. Mit am meisten Aufmerksamkeit hatte im Mai ein Foto erzeugt, auf dem sie einen Pullover mit dem Aufdruck „ACAB“ (kurz für All Cops Are Bastards“) trug.
Die Kehrseite ihrer Prominenz: [2][heftiger Gegenwind auch aus den eigenen Reihen.] Der baden-württembergische Realo Cem Özdemir forderte nach dem „ACAB“-Post, dass Nietzard aus der Partei austritt. Vertreter*innen des linken Flügels reagierten ebenfalls zunehmend genervt auf ihre Auftritte. Und wie es aus der Partei hieß, bröckelte auch innerhalb des Jugendverbands der Rückhalt.
„Schon seit einiger Zeit ist klar, dass ich keine Zukunft in diesem Bundesvorstand haben kann. Das ist der Weg des geringsten Widerstands, aber auch der Weg, bei dem die Grüne Jugend weiter mit den Grünen zusammenarbeiten kann“, sagt Nietzard selbst in dem Video, in dem sie ihren Rückzug ankündigt. Grünen-Mitglied will sie demnach bleiben, bis zum Herbst amtiert sie auch weiter an der Spitze der Parteijugend. Nach dem Bundeskongress im Oktober ist dann aber Schluss.
„Nie nach unten getreten“
In dem knapp dreiminütigen Video verteidigt Nietzard ihren Kurs. Gleichzeitig kritisiert sie die Partei heftig. „Man kann vieles über mich sagen, aber auf eines werde ich immer stolz sein. Und zwar, dass ich immer nach oben getreten habe und nie nach unten“, sagt sie.
Trotzdem sei „das Ganze an seine Grenzen gestoßen“ – und zwar „auch, weil Grüne lieber den Ton-Policing-Kampagnen irgendwelcher rechter Medienhäuser hinterhergelaufen sind, statt sich mit ihren eigenen Leuten zu solidarisieren“. Sie sei in Fraktionssitzungen ausgebuht und von Spitzen-Realos angeschrien worden. „Wenn die Parteispitze es nicht schafft, dass diese Anfeindungen enden, dann ziehe ich eben die Konsequenzen für meinen Jugendverband.“
Nur knapp reagierte der Grünen-Vorstand auf diese Kritik. Die Parteizentrale verbreitete am Mittag ein Statement von Parteichef Felix Banaszak, das erkennbar darauf ausgelegt war, den Konflikt nicht weiter zu befeuern. Dass Nietzard und er „meistens unterschiedliche Auffassungen hatten, ist kein Geheimnis“, heißt es darin. Er habe aber Respekt vor dem Schritt und nehme ihn „zum Anlass, als Partei unsere Gesprächskanäle mit unserer Jugendorganisation weiter zu pflegen“.
Ein Unbehagen bleibt
Wer dort ab Herbst seine Ansprechpartner*innen sind, ist unklar. Nietzards Co-Vorsitzender Jakob Blasel lässt noch offen, ob er für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. Der 24-Jährige pflegt einen anderen Stil als Nietzard, [3][äußerte Kritik an ihr bisher aber nur sehr diplomatisch]. Am Dienstag stellte er sich hinter sie und beklagte „persönliche Anfeindungen“ gegen Nietzard aus den eigenen Reihen. „Unsouveräne Reaktionen und toxische Empörung der letzten Wochen müssen aufgearbeitet werden“, forderte er.
Auch außerhalb des Jugendverbands hinterlässt der Umgang mit Nietzard zum Teil Unbehagen. Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter aus dem linken Parteiflügel, hatte sich im Mai zwar selbst von Nietzards „ACAB“-Post distanziert. Es habe berechtigte Kritik an Nietzard gegeben, sagt er auch jetzt. „Aufmerksamkeit ist zwar eine wertvolle Währung in der Politik, aber nicht alles – entscheidend ist, was daraus entsteht. Auf Dauer war es nicht konstruktiv genug.“
Auf der anderen Seite, so Emmerich zur taz, „täten wir als Grüne gut daran, die Vielfalt in der Partei auszuhalten. Wenn man verschiedene Klientelen erreichen will, muss man das auch mit unterschiedlichen Persönlichkeiten abbilden.“
29 Jul 2025
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