taz.de -- Fußball-Influencerin Alisha Lehmann: Frauenfußball Sichtbarkeit geben

Alisha Lehmann erreicht weltweit so viele Menschen wie keine andere Fußballerin – und nähert Frauenfußball an den geldgetriebenen Männerfußball an.
Bild: Das Smartphone oft griffbereit: Alisha Lehmann

Selbst wenn sie Fußball spielt, sieht [1][Alisha Lehmann] aus, als wäre sie gerade bei einem Fotoshooting. Kein Tropfen Schweiß rinnt über das perfekt geschminkte Gesicht, die gemachten Fingernägel sehen aus wie neu, die Frisur sitzt und das Juventus-Trikot auch. Auf diesem prangt dieselbe Nummer wie bei Cristiano Ronaldo, die 7. Ein Zufall? Was Bekanntheit und Reichweite angeht, ist Lehmann jedenfalls auf dem besten Weg, es [2][dem weltweit followerstärksten Influencer] nachzumachen.

Alisha Debora Lehmann ist 26 Jahre alt, kommt aus Tägertschi im Kanton Bern und fing mit sechs Jahren an zu kicken. Sie hat eine gute, aber sportlich nicht außergewöhnliche Karriere hinter sich. Zuerst die BSC Young Boys, mit 19 Jahren dann West Ham United. Es folgen weitere Stationen in England: FC Everton und Aston Villa. Seit 2024 spielt sie bei Juventus Turin. Ihr Lebensmotto: „Be brave“ – sei mutig. Position auf dem Platz: Sturm. In den sozialen Netzwerken: Influencerin.

Könnte sie dem Frauenfußball die [3][Sichtbarkeit] geben, für die dieser schon lange kämpft? 2024 schrieb das NZZ Magazin: „Die EM der Männer beginnt bald. Der wahre Star im Schweizer Fußball aber ist eine Frau.“ Lehmann erreicht weltweit so viele Menschen wie keine andere Fußballerin – zumindest im Netz. Mit fast 17 Millionen Followern bei Instagram – also fast doppelt so viele, wie die Schweiz Einwohner hat – und 12 Millionen bei Tiktok ist sie die meistgefolgte Sportlerin der Schweiz, sogar noch vor [4][Tennisspieler Roger Federer]. Im real life sieht es etwas anders aus.

Während sie für Fans „die schönste Fußballspielerin der Welt“ ist, werfen ihr Kritiker vor, den Fußball vor allem als Marketinginstrument zu benutzen. Einige Juventus-Fans schimpften nach der Meisterschaft, Lehmann habe sich bei der Feier in den Vordergrund gedrängt, obwohl sie die Saison über nur als Einwechselspielerin zum Einsatz kam und nur zwei Tore und eine Vorlage erzielte. Ihr Meisterschaftstanz wurde bei Instagram trotzdem fast 430.000-mal geliked. Einer von vielen Posts zwischen Torschüssen, Bikinibildern und Werbung für Adidas, Louis Vuitton oder die eigene Kollektion aus Tassen und Kissen.

Klatsch und Reichweite

Sie sorgt durch ihre Social-Media-Präsenz immer wieder für Klatsch und Tratsch, aber auch für große Reichweite. Zum Beispiel mit ihren kritischen Äußerungen bezüglich [5][des riesigen Gender-Pay-Gap im Profifußball]. Und das von einer Spielerin, die zugleich durch ihr Influencerdasein so viel verdient wie kaum eine andere Fußballerin: Eine Anzeige bei Instagram bringt ihr schnell mal das Jahresgehalt einer Topspielerin der englischen Liga ein.

„Ich will unabhängig sein, deswegen nenne ich mich auch Feministin. Mir ist wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen und meine eigenen Ziele zu erreichen“, erklärt Lehmann in einem Interview. Man könnte es auch eine Annäherung an ihre männlichen Kollegen und an den durch und durch geldgetriebenen Männerfußball nennen.

Ist das die Sichtbarkeit, die der Frauenfußball braucht? Zur Ernennung des EM-Kaders der Schweizer Nationalmannschaft war die Fußballwelt gespalten. Kurz musste Lehmann, die schon 59 Spiele für die Nationalmannschaft absolviert und acht Tore geschossen hat, um ihren Platz im Kader bangen. Die NZZ fragte: „Kann sich die Schweiz die prominente Absenz leisten?“ Mittlerweile steht fest: Die Schweiz wird nicht auf das „Phänomen“ verzichten. Lehmann darf bei der EM im eigenen Land für die „Nati“ – wie die Schweizerinnen ihre Nationalmannschaft nennen – kicken. Als Außenverteidigerin, wie Nationaltrainerin Pia Sundhage verkündigte.

29 Jun 2025

LINKS

[1] /Die-WM-bei-Tiktok/!5946299
[2] /Cristiano-Ronaldo-im-Fokus/!6018048
[3] /Sichtbarkeit-von-Sportlerinnen/!6025518
[4] /Geschlechter-in-einem-Tennis-Verband/!5678700
[5] /Kommentar-Gender-Pay-Gap-im-Fussball/!5451933

AUTOREN

Ruth Lang Fuentes

TAGS

Fußball-EM der Frauen 2025
Schweiz
Influencer
Frauenfußball
Fußball-EM der Frauen 2025
Kolumne Press-Schlag
Fußball-EM der Frauen 2025
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Boxen

ARTIKEL ZUM THEMA

Rekordspielerin Vicky López: Eine, die Geschichte schreibt

Spaniens Vicky López ist mit 18 Jahren eine der jüngsten Spielerinnen bei der EM. Erste Rekorde hat sie jetzt schon gebrochen.

Schweizer Frauen gegen U15 FC Luzern: Wie aus dem letzten Jahrhundert

Die Schweizer Frauen verlieren 1:7 gegen ein U15-Jungsteam. Auf Social Media ist das Beweis genug: Frauen können halt keinen Fußball. So ein Quatsch.

Bundestrainer über die bevorstehende EM: „In den Flow kommen“

Die EM 2025 ist Christian Wücks erstes Turnier als Trainer der DFB-Frauen. Ein Gespräch über Social Media, Hansi Flick und fehlende Diversität.

Kritik an Influencern in EM-Stadien: An die Werbebande!

Der Fanverband „Unsere Kurve“ kritisiert Influencer:innen. Sie geben sich als Fans aus und machen Geschäfte. Aber sind sie die Hauptgegner?

Cristiano Ronaldo im Fokus: Tränen für das Portemonnaie

Cristiano Ronaldo ist der bestbezahlte Influencer der EM. Kicken kann er nicht mehr so gut und doch dreht sich vieles nur um ihn.

Ein Influencer als Profiboxer: Der schlägt sich gar nicht schlecht

Jake Paul hat auf Youtube Millionen Dollar verdient. Dann wurde er Profiboxer und Promoter. Und nun will er gegen Mike Tyson kämpfen.