taz.de -- Verkehrspolitik ohne Fortschritte: Weltfahrradtag? Oder Tag des Tapioka-Puddings?
Der Nationale Radverkehrskongress kommt zu wenig neuen, aber richtigen Erkenntnissen. Nur leider folgt nichts daraus, kritisiert unsere Kolumnistin.
Am 3. Juni war Weltfahrradtag. Bei Wikipedia habe ich gelesen, dass die UN den vor ein paar Jahren verabschiedet hat, um dadurch „das Bewusstsein über die gesellschaftlichen Vorteile der Fahrradnutzung zu stärken“. In Berlin fand an dem Tag zum neunten Mal der Nationale Radverkehrskongress statt.
Ich las, dass „der NRVK insbesondere die bundesweite Leitungsebene aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Verbänden in den Fokus (rückt). Ziel ist es, die strategische Ausrichtung der Radverkehrspolitik gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern aus Bund und Ländern voranzutreiben und die zukünftige Entwicklung des Radverkehrs auf nationaler Ebene ressortübergreifend zu gestalten.“
Bei der Lektüre des Veranstaltungsheaders schliefen meine Füße ein. Ich akkreditierte mich trotzdem. Das ist so eine Berufskrankheit: Zu denken, man verpasse irgendeine neue Entwicklung, neue Informationen, den nicht mehr für möglich gehaltenen, spontanen Aufbruch.
Am 3. Juni war dann das Kind krank, und ich beging den internationalen Fahrradtag pflegend zu Hause. Zum Glück wurden die zusammenfassenden „9 Erkenntnisse“ des Kongresses ins Netz gestellt. Ich las nach, was hochkarätige Expert*innen diverser Institute, Vereine und Ministerien herausgefunden hatten: „Der Radverkehr ist kein Gegner des Einzelhandels – im Gegenteil: Er kann ein umsatzförderndes Verkehrsmittel sein.“ Und: „Aktive Mobilität, auch und vor allem in der Alltagsmobilität, ist ein zentraler Schlüssel zur Gesundheitsförderung.“ Außerdem: „Radverkehr und Rettungskräfte stehen sich nicht im Weg!“
Großartig. Das waren ja im Jahr 2025 immer noch die gleichen Ergebnisse, wie ich sie schon bei allen Konferenzen, Podiumsdiskussionen und Panels der letzten zwanzig Jahre gehört hatte. Die gleichen Erkenntnisse übrigens, auf deren Grundlage jetzt [1][zum Beispiel Radstreifen und Verkehrsberuhigungen in Berliner wieder entfernt werden], Rad- und Fußverkehr sich im Koalitionspapier einen Satz teilen und [2][Dienstwagen weiterhin subventioniert] werden.
Schöner nebeneinander fahren
Ich schmökerte bis zum Ende: „Jugendliche (finden) es wichtig, dass Radfahren so komfortabel ist, dass man nebeneinander fahren und sich dabei entspannt unterhalten kann.“ Endlich wieder jung fühlen – durch das Lesen eines Konferenzberichts! Oder gibt es irgendjemanden, der nicht lieber entspannt nebeneinander fährt, als lärmend-stinkend-gefährlich-eng überholt zu werden?
Jedenfalls bin ich froh, dass die „Entscheidungsträger aus Bund und Ländern“ jetzt nachprüfbar alles wissen, um „Radverkehrspolitik gemeinsam voranzutreiben“. Und werde gespannt beobachten, was in den kommenden Jahren alles umgesetzt wird.
Es gibt übrigens noch andere Aktionstage, die es mit der politischen Sprengkraft und Ernsthaftigkeit des Weltfahrradtags aufnehmen können. Zum Beispiel den „Tag des Tapioka-Puddings“ (15. Juli) oder den „Geh-mit-deiner-Hose-spazieren-Tag“ am 27. Juli. Wer den feiern will: mit einer Gruppe netter Leute spazieren gehen, während alle ihre Lieblingshose unter dem Arm tragen. Es darf auch eine Radlerhose sein.
20 Jun 2025
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Jedes fünfte Schulkind fällt durch die Fahrradprüfung. Unsere Kolumnistin war dabei und fragt sich, wer dafür eigentlich verantwortlich ist.
Assistenzsysteme sollen Autofahrende dabei unterstützen, weniger Unfälle zu bauen. Doch die neue Technik hat einen Haken.
Das Verkehrsministerium und der Fahrradclub ADFC ehren die fahrradfreundlichsten Orte Deutschlands. Dabei sind einige Überraschungssieger.
Unter dem Motto „Alle aufs Rad“ hat der ADFC zur Fahrradsternfahrt in die Berliner Innenstadt aufgerufen. Rund 13.500 Teilnehmer:innen sind dabei.
Unsere Autorin liebt das Fahrradfahren. Es gab ihr Selbstvertrauen und bringt ihr ein Gefühl von Freiheit, rosige Wangen und Glück.