taz.de -- Donald Trumps Kampf mit der Justiz: Supreme Court erweitert die Macht des Präsidenten

Der Oberste Gerichtshof der USA nimmt Bundesbezirksrichter*innen die Möglichkeit, Dekrete des Präsidenten einstweilig landesweit zu stoppen.
Bild: Ist die lästigen Bezirksrichter los: Autokrat Donald Trump

Berlin taz | An seinem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause hat der Oberste Gerichtshof der USA dem Präsidenten Donald Trump den wohl wichtigsten Sieg im Kampf gegen die Justiz beschert. Die konservative 6:3-Mehrheit entschied gegen den lautstarken Dissens der liberalen Minderheit, dass Bundesbezirksrichter*innen nicht mehr das Recht haben, Dekrete des Präsidenten landesweit zu stoppen. Damit ist die wichtigste [1][juristische Gegenwehr gegen Trumps Rechtsverstöße] entmachtet.

Anlass des Urteils war eine einstweilige Anordnung eines Bezirksrichters, der Trumps Dekret aus den ersten Tagen seiner zweiten Amtszeit landesweit gestoppt hat, mit dem der Präsident das Recht auf Staatsbürgerschaft qua Geburt auf US-Territorium aussetzt. Der Oberste Gerichtshof entschied nicht in der Sache – die meisten Jurist*innen sind sich einig, dass das im 14. Verfassungszusatz verankerte Recht nicht per Dekret ausgesetzt werden kann.

Aber der Gerichtshof entschied, dass es grundsätzlich nicht sein könne, dass Bezirksrichter*innen so weitgehend in politische Entscheidungen des Präsidenten eingriffen. Wer den Eindruck habe, der Präsident verletze mit einem Dekret geltendes Recht, habe sich zukünftig direkt an den Obersten Gerichtshof zu wenden. Bezirksrichter*innen könnten die Gültigkeit eines Dekrets allenfalls in ihrem regionalen Zuständigkeitsbereich aussetzen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils trat Trump zusammen mit seiner [2][Justizministerin Pam Bondi] vor die Presse. Beide dankten den Obersten Richtern dafür, nunmehr „linksradikalen Bezirksrichtern“ nicht mehr zu gestatten, die Agenda des Präsidenten zu sabotieren, für die er schließlich von der Mehrheit gewählt worden sei.

Scharfer Dissens der Minderheit im Obersten Gericht

Derzeit sind gegen Trumps Politik, die er fast ausschließlich per Dekret exekutiert, über 400 Verfahren eingeleitet. In etlichen Fällen hatten Bezirksrichter*innen per einstweiliger Anordnung die Umsetzung der Dekrete landesweit gestoppt, bis gerichtlich über ihre Verfassungskonformität entschieden sei. Genau diese sogenannten Nationwide Injunctions sollen nun nicht mehr möglich sein.

Damit macht sich der Oberste Gerichtshof ein [3][Narrativ] zu eigen, das Trump schon in seiner ersten Amtszeit immer wieder verbreitete, seit seinem zweiten Amtsantritt aber noch schärfer: Irgendwelche aktivistischen, linken Bezirksrichter maßten sich zu Unrecht die Befugnis an, sich in Dinge übergeordneter politischer Interessen der USA einzumischen.

Als Angelegenheit der nationalen Sicherheit hatte Trump etwa die Nacht-und-Nebel-Aktion dargestellt, mit der [4][Hunderte Venezolaner ohne Verfahren in ein Gefängnis in El Salvador deportiert] worden waren. Die Behörden hatten sogar die Eilanordnung eines Bezirksrichters missachtet, der den sofortigen Stopp der Aktion angeordnet hatte.

In einer scharf formulierten Minderheitsmeinung zeigten sich die liberalen Richterinnen Sonja Sotomayor, Elena Kagan und Katanji Brown Jackson entsetzt über das Urteil. Es sei beschämend, dass sich der Gerichtshof ausgerechnet das Recht auf Staatsbürgerschaft qua Geburt ausgesucht habe, um ein Grundsatzurteil über National Injunctions zu verfassen. „Wenn es je einen Fall gab, in dem eine landesweiter Stopp angebracht war, dann dieser“, schreibt Sotomayor.

Noch weiter geht Richterin Brown Jackson in einer Ergänzung: „In einer Verfassungsrepublik wie der unseren hat ein Bundesgericht die Macht, der Exekutive anzuordnen, sich an die Gesetze zu halten – und muss das auch“, schreibt sie.

29 Jun 2025

LINKS

[1] /Trumps-Angriff-auf-die-Justiz/!6077323
[2] /Donald-Trumps-Regierungsbildung/!6050910
[3] /Rechtsstaat-unter-Donald-Trump/!6065187
[4] /Abschiebungen-in-den-USA/!6073153

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

Schwerpunkt USA unter Trump
US-Justiz
Supreme Court
Oberster Gerichtshof
GNS
Schwerpunkt USA unter Trump
Supreme Court
Schwerpunkt USA unter Trump
Schwerpunkt USA unter Trump
Schwerpunkt USA unter Trump

ARTIKEL ZUM THEMA

Asylpolitik in den USA: Rückschlag für Trumps Abschottungsideen

US-Präsident Donald Trump kann nicht einfach alleine das Asylrecht aussetzen, erklärt ein Bundesrichter. Die Regierung legt umgehend Widerspruch ein.

Noch mehr Macht für Trump: Konservative Richter räumen die letzten Steine aus dem Weg

Bundesbezirksrichter*innen können Dekrete des US-Präsidenten nicht mehr blockieren. Mit dem Urteil des Supreme Courts wird Trump noch stärker.

Trumps Angriff auf die Justiz: Rechter Staat statt Rechtsstaat

Mit Weißem Haus und Kongress kontrolliert Donald Trump zwei von drei Staatsgewalten. Jetzt zieht er gegen die Judikative ins Feld.

Donald Trumps Kampf mit der Justiz: Mehr als eine „Verfassungskrise“

Immer häufiger schreiten Bundesrichter gegen Aktionen der Trump-Regierung ein. Der Präsident ignoriert das oder empfiehlt gar ihre Amtsenthebung.

Rechtsstaat unter Donald Trump: Kampf um die Grenzen der Macht in den USA

Gerichte haben etliche der Dekrete von US-Präsident Donald Trump vorläufig gestoppt. Sein Vize J.D. Vance bezweifelt, dass sie das überhaupt dürfen.