taz.de -- Israels neue Gaza-Offensive: Der Hamas immer ähnlicher

Israel wollte nie wie die Hamas sein und bei kriegerischen Handlungen Zivilist*innen ins Visier nehmen. Doch die Unterschiede werden geringer.
Bild: Hungernde Kinder bei einer Essensausgabe in Khan Younis am 16. Mai

Viele Jahrzehnte ist es in Israel Konsens gewesen: Der jüdische Staat unterscheidet sich von palästinensischen Terrorgruppen grundlegend dadurch, dass er bei kriegerischen Handlungen eben nicht die Zivilbevölkerung ins Visier nimmt. Unbeteiligte, die zu Tode kamen, waren im Zweifel stets Kollateralschäden, die man bedauerte.

Nun kann man argumentieren, dass dieser Grundsatz schon so manches Mal gebrochen wurde. Man denke beispielsweise an das Massaker von Sabra und Schatila von 1982. Damals hatte die israelische Armee zugelassen, dass christliche Milizionäre Tausende Palästinenser*innen in einem Vorort von Beirut ermordeten. Doch Zivilist*innen zu töten, das blieb aus israelischer Sicht ein großes Unrecht, für das Verteidigungsminister und Generalstabschef nach Sabra und Schatila zurücktreten mussten.

Die neueste Gazaoffensive Israels zeigt deutlicher als je zuvor, dass dieser Grundsatz für die israelische Regierung an Bedeutung verloren hat. Regierungschef Benjamin Netanjahu weiß, dass er die Hamas militärisch nicht besiegen kann. Jedenfalls nicht, ohne alle Menschen im Gazastreifen zu töten. Also soll die palästinensische Bevölkerung die Hamas niederringen.

Die [1][Zivilist*innen auszuhungern], zu bombardieren und immer wieder innerhalb des Gazastreifens zu vertreiben oder auch zu drohen, Hunderttausende Palästinenser*innen in andere arabische Länder zu deportieren – all das soll die Zivilbevölkerung zermürben. Das Kalkül: Wer nichts zu essen hat, obdachlos ist, seine Kinder nicht mehr versorgen kann, wird sich gegen die Machthaber erheben; [2][nur die eigenen Leute werden die Hamas in die Knie zwingen].

Die Zivilbevölkerung soll gegen die Hamas aufstehen

Funktioniert diese Militärstrategie gegen die Zivilbevölkerung? Das ist unerheblich. Das Völkerrecht verbietet eine solche Vorgehensweise. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Krieg noch in die Städte und das zivile Leben getragen. Alle Seiten wollten Zivilist*innen treffen, um sie „abzunutzen“ und die Menschen zu demoralisieren. Oder um sie zu bestrafen, denn die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki etwa hatte keine militärische Bedeutung mehr.

Was immer Netanjahu und seine Regierung sich also von der Zermürbung der Zivilist*innen in Gaza versprechen, es verstößt gegen das Völkerrecht. Zivilist*innen dürfen nicht wie Kriegsteilnehmer*innen behandelt werden; auch dann nicht, wenn sie von Kombattanten nur sehr schwer zu unterscheiden sind. Sie stehen unter besonderem Schutz. Und mit jedem weiteren Schritt, der diesen Schutz missachtet, wird der Unterschied zwischen Israel und Terrororganisationen wie der Hamas kleiner.

18 May 2025

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Silke Mertins

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