taz.de -- Streit um Abschiebungen nach El Salvador: Trumps Kampf gegen die Bezirksrichter
Im Streit mit der Justiz um die Abschiebung von venezolanischen Migranten nach El Salvador erhofft sich Donald Trump Hilfe vom Obersten Gerichtshof.
Wareham taz | Der juristische Streit um die [1][Abschiebung venezolanischer Migranten in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador] hat den Obersten Gerichtshof der USA erreicht. Am Freitag stellte die Trump-Regierung dort einen Eilantrag. Der Gerichtshof soll es ihr erlauben, mutmaßliche Mitglieder der venezolanischen Drogengang Tren de Aragua (TdA) ohne ein besonderes Verfahren abzuschieben.
Unter Berufung auf den Alien Enemies Act (AEA) von 1798 hatte die Regierung vor rund zwei Wochen über 200 venezolanische Migranten in Handschellen aus den USA nach El Salvador ausgeflogen. Dort wurden sie in demütigender Weise im berüchtigten Cecot-Gefängnis kahlrasiert und in Einheitskleidung gesteckt, dabei auch noch für ein Video gefilmt, dass der [2][salvadorianische Präsident Nayib Bukele] auf sozialen Medien postete.
Der überhaupt nur dreimal zu Kriegszeiten angewandte Alien Enemies Act erlaubt es, Staatsangehörige von Ländern, mit denen sich die USA im Krieg befinden oder Personen, die Angehörige einer Invasionstruppe eines ausländischen Staates sind, ohne umfassende Verfahren auszuweisen oder zu inhaftieren.
In einer Proklamation vom 15. März, die offenbar schon bei seiner Amtsübernahme abgefasst und seitdem unter Verschluss gehalten worden war, bezeichnete der Präsident TdA als eine mit der venezolanischen Regierung verbundene Terrorgruppe, die eine Invasion in die USA unternommen habe. Dass der Aufenthalt einer Gruppe von Kriminellen im Lande mit dem militärisch zu verstehenden Begriff Invasion zu charakterisieren ist, ist indes schwer vermittelbar.
Trump-Regierung missachtet richterliche Anordnung
Zudem wurden bei der Selektion der zu Deportierenden nicht viele Fragen gestellt. Den Betroffenen wurde keine Möglichkeit gegeben, die ihnen vorgeworfene Bandenmitgliedschaft zu widerlegen. Damit wurde das Mindestmaß rechtsstaatlicher Grundsätze – due process – außer Acht gelassen.
Fünf der Venezolaner, die vehement bestritten, TdA anzugehören und von denen einige angaben, wegen der Verfolgung gerade durch diese oder andere Gangs aus Venezuela geflohen zu sein, klagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesdistriktgericht in Washington, D.C. gegen ihre Deportation.
Der für den Fall zuständige Vorsitzende Richter des Gerichts, James Boasberg, unterband daraufhin vorübergehend die Ausweisung aufgrund des AEA – oder er versuchte es zumindest. Seine mündliche Anordnung, die Flugzeuge Richtung El Salvador zu stoppen oder umkehren zu lassen, wurde von Regierungsseite mit teilweise recht fadenscheinigen Gründen hintertrieben. „Ooopsie, zu spät!“ feixte El Salvadors Präsident am Folgetag auf X.
Nachdem sich der im Weißen Haus speziell für Ausweisungen zuständige Border Czar, Tom Homan, zu Äußerungen hinreißen ließ, dass Mitglieder von TdA keinen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren hätten und dass es ihm egal sei, was ein Distriktrichter darüber denke, schien sich die Angelegenheit zu einer [3][ernsthaften Verfassungskrise] auszuweiten, in der die Regierung auf eine Kraftprobe mit der Justiz hinsteuerte.
Grundsatzentscheidung schon in dieser Woche?
Richter Boasberg gilt als ausgesprochen kompetent und ausgewogen. Er wurde einst von George W. Bush zum Richter am Superior Court der Hauptstadt berufen, später von Barack Obama für das Distriktgericht nominiert und vom Senat einstimmig bestätigt.
Jetzt sieht sich Boasberg als Zielscheibe Homans und des Präsidenten selbst und seiner Unterstützer, einschließlich der Justizministerin. Trump bezeichnete Boasberg als „linken Spinner“ und rief zu seinem Impeachment auf. Die darin liegende, so eigentlich nie dagewesene Missachtung richterlicher Unabhängigkeit bewog den konservativen Chief Justice des Supreme Court, John Roberts, zu einer seltenen öffentlichen Verlautbarung. Es sei unangebracht, einem Richter aufgrund seiner Rechtsprechung mit Impeachment zu drohen. Der richtige Weg sei es, die nächste Instanz anzurufen.
Das tat Trump. In der mündlichen Verhandlung darüber, ob Boasbergs Verfügung aufzuheben sei, äußerte eine – von Obama berufene – Richterin des zuständigen Berufungsgerichtes von Washington D.C., dass man bei der Anwendung des AEA selbst Nazis mehr Rechte zugestanden habe als den klagenden Venezolanern.
In ihrer Entscheidung vom vergangenen Mittwoch wies die Kammer des Revisionsgerichts mit 2:1 Richterstimmen den Antrag der Regierung auf Aufhebung des vorläufigen Stopps der Ausweisungen zurück. Einzig der von Trump ernannte Richter trug die Entscheidung nicht mit.
Es geht nicht nur um diesen Fall
Am Freitag verlängerte Richter Boasberg seinen Stopp der Ausweisungen um weitere 14 Tage. Gleichzeitig beantragte die Prozessvertreterin der Regierung in einem Eilantrag beim U.S. Supreme Court, dessen Verfügungen aufzuheben, weil sie in den der Regierung vorbehaltenen Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik eingriffen.
Die Vertreter der Venezolaner hatten bis Montag Zeit, dem Obersten Gerichtshof ihre Sicht mitzuteilen. Das Verfahren könnte schon in dieser Woche zu einer Entscheidung führen. Und dabei dürfte es nicht nur um diesen Fall gehen. Richterliche Anordnungen zum Stopp bestimmter Dekrete sind derzeit der einzige wirkliche Sand im Getriebe der Maga-Maschine. Der Oberste Gerichtshof hat zu entscheiden, ob diese rechtlichen Barrieren Bestand haben.
1 Apr 2025
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