taz.de -- Wirtschaft warnt vor rechts außen: Moderne Firmen halten nichts von der AfD
ÖkonomInnen warnen vor dem euro- und migrationsfeindlichen Wirtschaftsprogramm der AfD. Das gefährde ein Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung.
Berlin taz | Normalerweise ist Reinhard Lüken diplomatisch. Doch seine Kritik an der AfD ist scharf: „Mehr Schwachsinn kann man nicht verbreiten“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik über die Forderung von [1][AfD-Chefin Alice Weide]l, Windräder abzureißen. Die Firmen, die Lüken vertritt, leben auch davon, Windparks auf dem Meer zu errichten.
Der Lobbyist lehnt das Wirtschaftsprogramm der Hartrechten grundsätzlich ab. Mit der „Russland-Freundlichkeit“ der Partei „können unsere Mitglieder nichts anfangen“. Denn in manchem Betrieb komme es mittlerweile als Bestandteil hybrider Kriegsführung der russischen Regierung zu Sabotageakten. Zur Forderung der AfD, migrantische Beschäftigte des Landes zu verweisen und Einwanderung zu verhindern, sagt Lüken: „Dann können unsere Betriebe zumachen.“ Die AfD sei „nicht die Stimme des Volkes“, sie spreche für eine Minderheit, deren Positionen die große Mehrheit der Bevölkerung ablehne.
So deutlich äußerten sich mehrere VertreterInnen der Wirtschaft am Dienstag im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Fünf Tage vor der Bundestagswahl eingeladen hatte das Firmen-Netzwerk „Vielfalt ist Zukunft“, das sich unter anderem für eine zivilisierte Einwanderungspolitik einsetzt. Ihm gehören Unternehmen wie Ikea und Organisationen wie die Unternehmerinitiative Bayern an.
Ingrid Rieken, Personalvorständin der Firma MAN Energy Solutions mit Sitz in Augsburg, sagt: „Menschen müssen kommen können, aber auch kommen wollen.“ Um künftig ausreichend Beschäftigte zu gewinnen, sei man auf ausländische BewerberInnen angewiesen, die aber nur den Umzug erwögen, wenn die Atmosphäre in Deutschland angenehm sei. Riekens Firma fertigt unter anderem große Dieselmotoren, Dampfturbinen, aber auch Elektrolyseure und Wärmepumpen. „Wir arbeiten am Klimaschutz“, betont die Managerin, „ihn zurückzudrängen wäre für unser Unternehmen fatal.“ Fabian Zacharias, Mitglied der Geschäftsleitung von Bitkom, des Verbandes der Digital-Unternehmen, erklärt, er halte die AfD für „technologiefeindlich“.
90 Prozent halten Arbeitsmigration für notwendig
Diese und ähnliche Argumente liefern die Erklärung für die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), die das Vielfalt-ist-Zukunft-Netzwerk in Auftrag gegeben hat. Demnach befürworten nur gut 3 Prozent der befragten 900 Firmen die ablehnende Haltung der AfD zum Euro. Fast genauso entschieden lehnen sie der Umfrage zufolge die [2][einwanderungsfeindliche Politik der AfD] ab. 90 Prozent der befragten ManagerInnen halten Arbeitsmigration für nötig.
Die Unternehmen haben auch einfach Angst, dass ihnen Umsätze, Gewinne und Märkte verloren gehen. Die Verluste könnten enorm sein, hat das IW berechnet. Ein Austritt Deutschlands aus dem Euro, wie AfD-PolitikerInnen ihn immer wieder ins Spiel bringen, würde die Wirtschaftsleistung um 140 Milliarden Euro jährlich reduzieren. Eine extreme Politik der Ausländerfeindlichkeit würde bis zu 650 Milliarden Euro kosten. Nimmt man beide Zahlen zusammen, erreichen die Schäden der AfD-Wirtschaftspolitik die Größenordnung eines Fünftels des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Dies sei ein „massiver Wohlstandsverlust“, kommentiert die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller. Schließlich kann die demografische Entwicklung laut IW nur mit ausländischen Erwerbstätigen ausgeglichen werden. Dabei erwirtschaften 6,7 Millionen MigrantInnen schon heute 13,2 Prozent der deutschen Bruttowertschöpfung. Besonders im Osten haben sie demnach die Wirtschaft vorangebracht.
Aber wie stabil ist die Front der Wirtschaft gegen die AfD? Beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar war zu beobachten, wie einige Konzernchefs, etwa Coca-Cola-Vorstand James Quincey, dem neuen [3][US-Präsidenten Donald Trump] den Hof machten. Werften-Lobbyist Lüken kann solche Tendenzen nicht bestätigen. „In unserem Verband gibt es keine Diskursverschiebung“, die Mitglieder äußerten sich eher zunehmend kritisch gegenüber der AfD.
18 Feb 2025
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