taz.de -- Die Wahrheit: Ziegen melken mit der AfD
Die vermeintliche Dämonisierung und Ausgrenzung der AfD beflügele deren fortschreitenden Erfolg, heißt es landauf, landab. Geht es noch?
Gelegentlich frage ich mich, in welch bizarr möblierter Parallelwelt manche Journalisten und Journalistinnen eigentlich leben. Oder welche Substanzen sie sich einpfeifen. So wird in letzter Zeit in Medienrunden gern Folgendes behauptet: Die anfängliche Dämonisierung der AfD durch die Presse, die Ausgrenzung, die Weigerung AfDler zu interviewen – das alles habe der Partei nur genutzt, sie stärker gemacht. Zuletzt hörte ich diese These in einer ZDF-Sendung kurz vor der Wahl aus einer fidelen, sich darüber völlig einigen Runde von leitenden Redakteuren großer Zeitungen und Magazine von Welt am Sonntag bis Spiegel.
Ich stutzte. Wurde dann aber doch unsicher. Also fragte ich zu Hause gleich mal nach, ob ich vielleicht erst vor kurzem aus einem längeren Koma erwacht sei. Oder ob ich womöglich eines Tages verschwunden und zwei Jahre später in Tierfelle gehüllt und mich von Wurzeln und Insekten ernährend im Wald aufgefunden worden wäre. Und an Amnesie leide.
Aber nein, meine Familie teilte mir mit, ich sei eigentlich immer anwesend, bei Bewusstsein und im Rahmen meiner Möglichkeiten auch bei klarem Verstand gewesen. Insofern kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, warum ich diese Dämonisierung und Ausgrenzung der AfD nicht mitbekommen habe.
Vielmehr erinnere ich mich an diverse Talkshow-Auftritte von Frauke Petry, Bernd Lucke und Jörg Meuthen, an Björn Höcke, der bei Günther Jauch die Deutschlandfahne über die Sessellehne hängte, und an Alexander Gauland, der nach der Bundestagswahl 2017 vor laufender Kamera den anderen Parteien mit einem aggressiven Weidmannsheil drohen durfte: „Wir werden sie jagen!“
Ich erinnere mich auch an eine Redakteurin, die mit Höcke durch den Thüringer Wald wanderte, und an mehrere abgebrochene Interviews mit Höcke und Weidel, die nicht etwa von den Journalisten beendet wurden, zum Beispiel wegen rassistischer Kackscheiße-Äußerungen seitens des AfD-Personals, sondern von den Faschisten selbst, weil denen die Fragen nicht gefielen.
Höckes Gehirn heißt Kubitscheck
Sogar Höckes Gehirn, das sich bekanntlich nicht in seinem Kopf befindet, sondern auf einem Rittergut in Schnellroda residiert und Götz Kubitscheck heißt, wurde von mehreren renommierten Zeitungen interviewt. Dabei beobachtete man Kubitscheck und seine Frau fasziniert beim Ziegenmelken und hörte ihnen beim Sich-gegenseitig-Siezen zu … Aus Platzgründen breche ich diese Liste hier einfach mal ab.
Also, liebe Medien-Kollegen und -Kolleginnen: War es nicht vielleicht anders herum? Konnte die AfD eventuell auch so stark werden, weil ihr deren verbitterte Hassvisagen ständig vor eure Kameras gezerrt und den Rechten so eine Plattform für ihre Rhabarberei gegeben habt? Und weil ihr genau wisst, dass die Faschisten unter anderem dadurch normalisiert wurden, behauptet ihr womöglich deswegen jetzt das Gegenteil? Nur mal so als Frage.
26 Feb 2025
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