taz.de -- Eltern zum heutigen Klimastreik: „Ich bin sicher, dass wir Zehntausende motivieren“

Die Fridays-for-Future-Demos waren schon größer. Doch die Hamburger Parents for Future wachsen, sagen die Engagierten Maik Grebita und Mareike Pruin.
Bild: „Könnten noch vielfältiger sein“: Maik Grebita und Mareike Pruin

taz: Frau Pruin, Herr Grebita, wann hatten Sie das letzte Mal das Gefühl, ich höre auf, ich bin erschöpft?

Mareike Pruin: Ich hatte das mal ganz am Anfang. Wenn man beginnt und dann merkt oder eben nicht merkt, welche Wirkung man damit erzielt, bei Parents for Future zu sein. Die habe ich am Anfang nicht gespürt und überlegt, es wieder sein zu lassen. Dann habe ich mich aber besonnen.

taz: Und wie ist es jetzt?

Pruin: Manchmal bin ich total erschöpft. Aber das bin ich, weil ich gerade irgendeine tolle Aktion mit den Parents for Future gemacht habe. Oder Unterschriften für den Zukunftsentscheid gesammelt habe. Da hatte ich eine lange Diskussion mit einem Schlachter, der sagte: „Ich will nicht unterschreiben. Das finden Sie doch bestimmt doof.“ Und ich meinte: „Wieso denn? Nur weil Sie Schlachter sind? Du kannst doch trotzdem eine vernünftige umweltpolitische Meinung haben.“ „Ja, das finde ich auch, aber ich kann das nicht unterschreiben. Ich schlachte ja.“ Wir haben uns zwei oder drei Mal unterhalten, weil er immer wieder aus seinem Kabuff herauskam und eine rauchen musste. Beim dritten Mal hat er gesagt: „Wie blöd bin ich eigentlich? Natürlich unterschreibe ich. Ich habe doch eine Meinung.“

taz: Warum ist es eigentlich wichtig, dass es innerhalb von Fridays for Future noch einmal die Parents for Future gibt?

Pruin: Was die Fridays for Future machen, die Art, wie sie demokratisch denken, ist für unsere Generation neu. Das ist absolut einzigartig und bewundernswert. Aber Fridays for Future haben sich eine Altersgrenze von 27 gesetzt. Wir sind erst mal nur daraus hervorgegangen, bei der Plakatierung zu helfen, so eine typische Elternfunktion eigentlich. Alle, die älter sind und Aktionismuswillen verspüren, müssen sich woanders unterbringen.

Maik Grebita: Wir sprechen Menschen mit und ohne Kinder an. Und alle Berufsgruppen. Weil wir keinen zivilen Ungehorsam machen, können Lehrer bei uns sein, Feuerwehrleute, Polizisten. Wir könnten allerdings noch vielfältiger sein – teilweise sind wir sehr akademisch geprägt.

taz: Das heißt, Fridays for Future und Parents for Future arbeiten getrennt?

Grebita: Wir machen nach wie vor sehr viele Aktionen zusammen. Wir haben zum Beispiel bei den Klimastreiks unseren Familientreffpunkt, wo wir die Menschen einladen, mit Kindern zu kommen. Sie können dann an einem Platz die Demo mitmachen, wo es nicht so laut ist, wo sie auf der Straße malen können und Plakate basteln. Mittlerweile kommen die Eltern zu Hunderten mit ihren Kindern bei den großen Streiks.

taz: Das heißt, es ist eine gute Zeit für Parents for Future?

Grebita: Wir hatten eine Durststrecke. Aber seitdem wir das Volksbegehren geschafft haben, haben wir 15 neue Parents dazubekommen. Die Menschen haben jetzt scheinbar wieder ein bisschen mehr Luft, nachdem die ersten Krisen ein bisschen verarbeitet wurden. Das wäre auch ein Appell, den ich loswerden möchte. Es ist wirklich völlig egal, ob man sich jetzt für den Klimaschutz engagiert oder für den Erhalt unserer Demokratie. Wichtig ist nur, dass man etwas macht, auch um das Gefühl zu erleben: Ich bin nicht ohnmächtig.

taz: Weil Sie Durststrecke sagen: Hören Leute auch wieder auf bei den Parents for Future?

Pruin: Die Durststrecke war während der Coronazeit, als einige abgesprungen sind. Sich immer nur online zu treffen, ist für viele schwierig gewesen. Das war ja ein allgemeines Phänomen und hat uns genauso getroffen.

Grebita: Wenn man einmal dabei ist, dann bleibt man auch dabei – das Problem, das wir haben, ist ja nicht von heute auf morgen weg. Wenn Leute uns verlassen, hat das private Gründe. Wenn wir Leute neu dazunehmen, sage ich bei den Anfangsgesprächen immer: Pass auf, du hast Verpflichtungen. Du hast deine Familie, einen Job, Hobbys, du hast Freunde und all das ist viel, viel wichtiger, als dass du dich für uns engagierst. Wenn dann noch Zeit ist, dann engagiere dich gerne bei uns. Aber wenn du anfängst, diese Sachen zu vernachlässigen, dann gerät es ins Ungleichgewicht und im schlechtesten Fall wirst du krank und wir verlieren dich ganz.

taz: Wie kräftezehrend ist es für Sie?

Pruin: Ich glaube, da sind wir die schlechtesten Beispiele, weil wir so Dauerjunkies sind.

taz: Keine Familie, keine Freunde, keine Hobbys?

Pruin: Doch. Aber mein Jüngster ist jetzt schon 16. In der Phase des Zukunftsentscheids war es ein Ganztagsjob von morgens um sieben bis abends um zwölf – neben der Arbeit. Aber im Normalfall bin ich täglich ein bis zwei Stunden damit beschäftigt.

Grebita: Ich höre auf mich: Was kann ich gerade leisten neben meinen anderen Verpflichtungen? Und dann ist es mal ganz viel und dann kommt aber auch wieder eine Phase, wo Menschen mich anrufen und sagen: Geht’s dir gut? Wir haben jetzt weniger von dir gehört. Es gibt dauerhafte Aufgaben, so wie das Onboarding für neue Mitglieder, das ich mache, Social Media, der Newsletter. Daneben gibt es Arbeitsgruppen. Es sind vielleicht 30, 35 Leute, die bei allen Treffen dabei sind und in den Arbeitsgruppen arbeiten. Und dann haben wir in den Bezirken rundherum, in Hamburg und sogar im Speckgürtel Menschen, noch mal 200 Leute, die uns bei den großen Demos unterstützen.

taz: Müssen Sie sich manchmal überwinden?

Pruin: Ich konzentriere mich auf die Dinge, die mir liegen. Das ist so wie im normalen Leben: Man tut die Dinge, die einem leicht fallen. Und dann bekommt man auch viel positives Feedback.

Grebita: Das ist ja auch das Schöne an der Klimabewegung oder überhaupt am Ehrenamt, dass man Sachen machen kann, die man im Job vielleicht nicht tun kann. Man kommt dort hin und hat einen ganzen Blumenstrauß an Möglichkeiten. Ich habe zum Beispiel noch nie auf einer Bühne gestanden und Reden gehalten und seitdem ich in der Bewegung bin, habe ich das schon häufig gemacht, oder vor der Kamera gestanden oder Menschen auf der Straße angesprochen.

taz: Als ich das letzte Mal am Bahnhof Altona Unterschriften gesammelt habe, habe ich in einer Stunde gerade mal neun bekommen und viele Leute waren unfroh, wenn man sie ansprach. Wie erleben Sie das?

Pruin: Der Bahnhof ist ein ganz schlechter Ort zum Sammeln: Jeder hat was vor, jeder will nach Hause. Und dann steht da jemand und kommt mit irgendeinem politischen Thema. Da muss man sich einen besseren Ort suchen, wo die Menschen entspannt sind und Zeit haben.

taz: Was zeigt, wie wichtig Strategie ist, oder?

Pruin: Wir sind ja alle limitiert in unserem Leben. Wenn ich Einkaufen gehe, dann bleibe ich auch nicht zum fünften Mal beim Greenpeace-Stand stehen und erkläre, dass ich schon Mitglied bin. Man muss auch eine Resilienz entwickeln, solche Dinge nicht so persönlich zu nehmen. Ich sammle übrigens manchmal auch nur neun Unterschriften, was gar nicht so schlecht ist. 20 sind ein gutes Normalmaß und Maik bekommt auch 30 pro Stunde.

Grebita: Die Leute vom Zukunftsentscheid haben uns super geschult. Ich bin illegalerweise ab und zu mit der U-Bahn gefahren und habe dort die Leute angesprochen und das war sehr erfolgreich, weil die Leute Zeit haben. Einmal bin ich vom Zugführer angesprochen worden, der meinte: „Hey, komm mal her.“ Ich sagte: „Was ist denn, ich darf nicht sammeln, oder?“ Er sagte: „Ich will auch unterschreiben.“

taz: In den Medien wird immer mal wieder von einer Durststrecke der Klimabewegung gesprochen und dann gerätselt, ob die neue Strategien findet.

Grebita: Am 14. Februar haben wir den globalen Klimastreik. Ich bin sicher, dass wir da wieder Zehntausende Menschen motivieren. Ich lese immer wieder, dass Fridays for Future eine Durststrecke durchleben. Aber ich sehe, dass im Hintergrund ganz viel passiert, was nicht offensichtlich für die Menschen ist. Es wird seit Jahren durchweg gearbeitet. Wir als Parents haben uns sogar noch vergrößert. Sicherlich waren wir mal ein paar Tausend mehr Menschen auf den Demos, aber das wird auch wieder kommen. Die Klimakrise ist immer noch in den Köpfen der Leute. Aber wenn andere Probleme auch da sind, dann kann man nicht das gleiche Interesse für alle Probleme haben.

taz: Sie meinten vorhin, Sie könnten als Gruppe sozial heterogener sein. Was können Sie dafür tun?

Pruin: Ich will mir das auch nicht selber zum Vorwurf machen, dass ich akademisch gebildet bin. Das wäre ja Quatsch. Aber wen wir erreichen, ist eine ganz andere Geschichte.

Grebita: Wir haben auch schon Menschen aus anderen Milieus erreicht, die bei uns aktiv geworden und auch geblieben sind. Und das ist super, weil wir häufig Menschen mit handwerklichem Geschick brauchen. Und wir brauchen diese Diversität, um besser verstehen zu können, was in der Gesellschaft gebraucht wird. Ich glaube, es ist ein zeitliches Problem in dem Sinne, dass ich, wenn ich in Hamburg die Miete bezahlen muss, das nicht mit einem 40-Stunden-Job schaffe, sondern oft noch einen Nebenjob haben muss. Das soll nicht heißen, dass nicht akademisch gebildete Menschen auch mal 60, 70 Stunden arbeiten. Aber ich sehe ja, wie schwer es ist, in Hamburg zurechtzukommen.

taz: Ist es so wie in bestimmten Kneipen, wo das Publikum so homogen ist, dass man sich gar nicht hineintraut, wenn man nicht dieselben Turnschuhe trägt?

Grebita: Als ich zum ersten Treffen gegangen bin, habe ich überlegt: Oh, jetzt hast du den Nike-Pullover an! Den habe ich zwar schon elf Jahre, aber es ist trotzdem vielleicht nicht politisch korrekt. Andere Leute sind mit dem Auto gekommen oder haben erzählt, dass sie gerade im Urlaub waren. Wenn wir nur Leute nehmen würden, die ihr Leben zu 100 Prozent nachhaltig im Griff haben, dann wären wir eine Handvoll Leute.

Globaler Klimastreik, Freitag, 14. Februar, 13 Uhr, Rathausmarkt, Hamburg

14 Feb 2025

AUTOREN

Friederike Gräff

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