taz.de -- US-Amerikanischer Handelsstreit: Thyssenkrupp pokert und wartet erst mal ab
Noch reagiert Deutschlands größter Stahlhersteller entspannt auf US-Präsident Trumps Strafzölle. Experten warnen vor billigen Importen aus Asien.
Bochum taz | Überraschend gelassen hat Deutschlands größter Stahlproduzent Thyssenkrupp auf die von US-Präsident Donald Trump [1][angekündigten Strafzölle von 25 Prozent auf Aluminium- und Stahlimporte] reagiert. Trumps Drohung dürfte „nach jetzigem Kenntnisstand nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Geschäfte von Thyssenkrupp haben“, hieß es aus der Konzernzentrale in Essen. „Hauptmarkt“ für den im nordrhein-westfälischen Duisburg produzierten Stahl sei „Europa“, bekräftigte Konzernsprecher Konrad Böcker auf taz-Nachfrage.
Den allergrößten Teil der Umsätze in den USA erzielten die Tochterunternehmen Materials mit dem Handel mit Rohstoffen und vor allem der Bereich Automotive – mit Komponenten für die Autoproduktion, die in den USA für Kunden in den USA produziert würden. „Wir stellen dort etwa Stoßdämpfer, Lenkungen und Motorkomponenten her, die an fast alle großen Marken wie Ford oder Tesla gehen“, sagte Böcker. Diese „lokale Produktion“ minimiere „das Zollrisiko“.
Nur ein „geringer Teil“ der Produktion gehe in die USA, bestätigte auch der Sprecher der Duisburger Sparte Thyssenkrupp Steel (TKS), Mark Stagge. Insgesamt hat TKS im vergangenen Jahr rund 9,5 Millionen Tonnen Stahl abgesetzt. Die Produktionskapazitäten betragen aber rund 11,5 Millionen Tonnen – und diese Differenz von 2 Millionen Tonnen könnte das Unternehmen nur zu Dumpingpreisen absetzen.
Denn wie alle europäischen Stahlhersteller leidet auch TKS unter heftiger Billigkonkurrenz aus Asien, vor allem aus China: Mit 1,02 Milliarden Tonnen wurde dort 2023 mehr als die Hälfte der gesamten globalen Produktion von 1,89 Milliarden Tonnen hergestellt. Und da die chinesische Konjunktur nicht nur im stahlintensiven Bausektor schwächelt, drängen die massiven Überkapazitäten auf die Weltmärkte, insbesondere auf den noch relativ offenen EU-Markt.
Schon im November hatte TKS deshalb [2][Kapazitätsreduzierungen und massive Jobverluste angekündigt]: Vorstandssprecher Dennis Grimm will die mögliche Produktion von derzeit 11,5 auf 8,7 bis 9 Millionen Tonnen Stahl jährlich reduzieren. Die Belegschaft soll in den kommenden sechs Jahren um 11.000 Mitarbeiter:innen schrumpfen, was auf erbitterten Widerstand von Betriebsräten und der Gewerkschaft IG Metall stößt. Heute arbeiten bei Deutschlands größtem Stahlhersteller noch 27.000 Menschen – 13.750 davon allein am Standort Duisburg.
Dabei steht Thyssenkrupp Steel stellvertretend für die gesamte deutsche Stahlindustrie: Im Jahr 2023 ist deren Ausstoß auch wegen der hierzulande schwächelnden Autoindustrie auf insgesamt 35,4 Millionen Tonnen gesunken – 2021 waren es noch 40,2 Millionen. Sowohl der Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) als auch die IG Metall warnen deshalb vor „Kaskadeneffekten“ durch Trumps angekündigte Zölle.
Denn die dürften „zu Mengenumleitungen nach Europa führen, wodurch der ohnehin bestehende Importdruck durch Überkapazitäten aus China weiter verstärkt wird“, warnt nicht nur WV-Stahl-Präsident Gunnar Groebler – und klingt dabei wie Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in NRW: Durch Trumps Zollpolitik werde „noch mehr Billigstahl aus Asien nach Europa kommen“, sagt der Gewerkschaftschef. Gefordert sei jetzt die Politik, mahnt Gießler – als ersten Schritt brauche es „wettbewerbsfähige Energiepreise“.
Über diese „Sekundäreffekte“ wird natürlich auch in der Thyssenkrupp-Zentrale nachgedacht. Noch sei aber unklar, welcher Staat tatsächlich mit welchen Zöllen belegt, wie groß der Preisdruck durch die asiatische Billigkonkurrenz werde – und wie die [3][von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte „entschlossene Reaktion“] Europas auf Trump wirke. „Solange das alles unklar ist“, sagt ein Essener Insider, „ist es einfach unseriös, über die Folgen zu spekulieren.“
11 Feb 2025
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