taz.de -- Rechte Gewalt: Neues rechtes Selbstbewusstsein

Die Kriminalitätsstatistik von 2024 zeigt: Rechtsextreme Straftaten sind weiter gestiegen. Linke Straftaten sind dagegen zurückgegangen.
Bild: Rechtsextreme werden selbstbewusster im Auftreten

Berlin taz | Rechte Gewalt hat in Berlin einen alarmierenden Höchststand erreicht. Dies geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf die schriftliche Anfrage des Grünen-Abgeordneten [1][Ario Mirzaie] hervor, die der taz exklusiv vorliegt.

Die Grundlage für die Beantwortung dieser Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Dieser unterscheidet sich von der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) durch seinen Ansatz: Während die PKS auf abgeschlossenen Ermittlungen basiert, erfasst der KPMD-PMK Fälle, sobald sie bekannt werden, unabhängig davon, ob die Ermittlungen bereits abgeschlossen sind oder nicht. Gezählt wird in verschiedenen Kategorien: Terrorismus, Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte.

„Während linksmotivierte Straftaten weiterhin rückläufig sind, erreichen rechtsmotivierte Straftaten einen [2][besorgniserregenden Höchststand.] Daneben nimmt der Anteil antisemitischer Straftaten in allen Phänomenbereichen alarmierend zu“, sagt Mirzaie der taz. Seine Analyse: „Rechtsextreme wollen ein Klima der Angst schaffen und treten immer selbstbewusster auf.“

Bis Mitte Januar wurden für das Jahr 2023 insgesamt 2.520 rechte Straftaten erfasst, der höchste Stand seit fünf Jahren. Darunter sind 79 Gewaltdelikte, 1.489 Propagandadelikte und 952 sonstige Delikte. Zu den sonstigen Delikten zählen unter anderem Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Nötigung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder Volksverhetzung.

Ein wachsendes Sicherheitsrisiko

In 245 Fällen war Rassismus das Motiv. 90 rechte Straftaten richteten sich gegen geschlechtsbezogene Diversität und/oder sexuelle Orientierung.

Bei den 267 Straftaten mit antisemitischer Motivation geht es vor allem um Volksverhetzung, Sachbeschädigung und Beleidigung. Etwa doppelt so viele Fälle machen religiös motivierte Straftaten aus. Auch hier handelt es sich bei der Hälfte der Delikte um Sachbeschädigungen.

Im Vergleich dazu liegen linke Straftaten bei insgesamt 621 Fällen, wobei auch hier häufig Sachbeschädigung der Tatbestand ist. Es sind die niedrigsten Zahlen seit dem Jahr 2020.

„Schwere Gewalttaten wie der [3][Neonazi-Angriff am Ostkreuz] oder der Überfall auf Wahlkämpfende in Lichterfelde sind keine Einzelfälle“. Rechtsextremismus sei ein wachsendes Sicherheitsrisiko für die Menschen in Berlin, auf das CDU und SPD keine Antworten haben“, so Mirzaie. Ferner kritisiert er angesichts dieser Zahlen die Kürzungen des schwarz-roten Senats im Bereich Prävention und politische Bildung als fatal.

Von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) fordert Mirzaie „den Druck der Sicherheitsbehörden auf die Naziszene in Berlin zu erhöhen und rechte Raumnahme zu stoppen“. Nichtstun sei angesichts der steigenden Zahlen „keine Option mehr“.

1 Feb 2025

LINKS

[1] https://gruene-fraktion.berlin/kontakt/ario-mirzaie/
[2] https://www.tagesschau.de/inland/rechtsextreme-straftaten-106.html
[3] /Neonazi-Angriff-am-Ostkreuz/!6025195

AUTOREN

Raweel Nasir

TAGS

Rechte Gewalt
Schwerpunkt Neonazis
Demokratie
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt AfD
Abgeordnete
Der III. Weg
Schwerpunkt Neonazis
Der III. Weg

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Zahlen zu rechter Gewalt: Mehr Gewalt gegen Geflüchtete

Im dritten Quartal 2025 registrierten die Behörden fast 200 Angriffe auf Asylsuchende. In Magdeburg fuhr ein Mann ein syrisches Kleinkind an.

2,35-Millionen-Euro-Zuwendung: Neue Spendenaffäre bei der AfD

Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung: Das Geld für eine AfD-Plakatkampagne kam wohl vom Immobilienmilliardär Henning Conle – verdeckt mal wieder.

Angriffe auf Amts- und Mandatsträger: „Alle vier Tage eine gewalttätige Attacke“

Immer wieder kommt es zu Gewalt gegen Politikern und Politikerinnen. Das zeigen nun auch vorläufige Zahlen des Bundesinnenministeriums.

Neonazi-Aufmarsch in Marzahn: Wieder mal Arbeit für die Antifa

In Marzahn versammelten sich 1.500 Antifaschist*innen zu einer Demo. Neonazis hatten zuvor zu einem Aufmarsch aufgerufen.

Neonazi-Angriff am Ostkreuz: Unbehelligte Prügelattacke

Die Gefahr durch Neonazis war der Polizei bewusst. Trotzdem schützte sie die Anreisenden zu einer Antifa-Demo im Juli nicht, zeigt eine Senatsantwort.

Neonazi-Attacke auf Antifas: Weg der Gewalt

Antifaschisten werden auf der Anreise zu einer Demo am Ostkreuz von Neonazis attackiert. Die Täter gehören mutmaßlich zur Partei „Der Dritte Weg“.