taz.de -- Nahost-Konflikt beim PEN Berlin: Offener Brief einiger Mitglieder
Nach mehreren Austritten aus der Schriftstellervereinigung PEN Berlin erklären Mitglieder in einem offenen Brief, warum sie bleiben.
Berlin taz | Nach der Debatte um eine Petition zum Nahostkonflikt in der [1][Schriftstellervereinigung PEN Berlin] melden sich jetzt Autoren und Autorinnen zu Wort, die ihre Unterstützung zum Verein trotz politischer Differenzen bekräftigen. Zuvor hatten mehrere Mitglieder in einem offenen Brief ihren Austritt erklärt. Weitere Mitglieder [2][hatten sich öffentlich geäußert].
Zu den Unterzeichner*innen des neuen Briefs gehören die ehemalige Vereinssprecherin Eva Menasse, die Publizisten Michel Friedmann und Stephan Anpalagan, die Autoren Daniel Kehlmann, Wladimir Kaminer, Kristof Magnusson und Jan Wagner, die Autorinnen Francesca Melandri, Kathrin Röggla und Nora Bossong, der Schauspieler Christian Berkel, die Publizisten und Pädagogen Meron Mendel und Saba-Nur Cheema sowie der ehemalige Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit.
Die Verfasser, allesamt Mitglieder des PEN Berlin, erklären in ihrem Statement: „Wir bleiben“. Die „öffentlich ausgetragenen Wortgefechte und Meinungskriege“ würden den Nahostkonflikt nicht lösen, dem noch jungen Verein aber Schaden zufügen.
Bei einer Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende wurde mit nur knapper Mehrheit einer Kompromiss-Resolution zugestimmt. In ihrem Schreiben heißt es dazu: „Nach ausführlicher zweimaliger Diskussion wurde eine Resolution mit einer (!) Stimme Überhang demokratisch verabschiedet; der andere, so knapp unterlegene Antrag unterschied sich nur in – heiß umkämpften – Details.“ Die meisten Unterstützer der unterlegenen Anträge hätten das Ergebnis akzeptiert. Doch manche Mitglieder würden nun austreten. Einige würden austreten, weil der beschlossene Text zu „propalästinensisch“ sei. Andere wiederum, weil er zu „proisraelisch“ sei.
Weiter erinnern die Unterzeichner*innen daran, dass der PEN Berlin zum Schutz von Schriftsteller:innen gegründet worden sei: „Als Menschenrechtsorganisation zum Schutz verfolgter Kolleg:innen einerseits, als maximal offene Plattform für die vielen Debatten andererseits“. Sie fordern die Rückbesinnung auf das ursprüngliche Anliegen.
Im offenen Brief zitieren die Unterzeichner*innen von „Wir bleiben“ den israelischen Philosophen Avishai Margalit: „Ein guter Kompromiss teilt das Trennende auf.“ Das bedeute: „Er muss einem auch selbst weh tun, sonst ist es keiner.“ Trotzdem räumen die Unterzeichnenden ein, dass Fehler gemacht worden seien. „Auf der richtigen Seite zu stehen bedeutet für uns, immer wieder aufs Neue zu versuchen, Gräben zu überwinden und Kompromisse zu finden sowie die Verantwortung für die exilierten Kolleg:innen nicht aus den Augen zu verlieren.“ heißt es weiter.
Transparenzhinweis d. Red.: Mehrere der Unterzeichner:innen sind regelmäßig oder unregelmäßig auch für die taz tätig.
12 Dec 2024
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