taz.de -- Umdeuten anstatt ärgern: Verkehrspolitik durch gezieltes Atmen reframen
Unzählige Psycho-Spiri-Ratgeber können nicht irren: Man muss das Gute nur sehen. Das gilt auch für Schienenersatzverkehr, Abgase und Autobahnen.
Eine Kollegin von mir verschickt regelmäßig Newsletter. Ich kenne sie eigentlich von Krimilesungen, inzwischen hat sie sich auf [1][Wunscherfüllungsbücher] verlagert. Darin schildert sie ihre Vision davon, Millionärin zu sein, feiert Krankheiten als Möglichkeit zur Auszeit und erläutert, wie sie in aller Sanftheit Freundschaften und Beziehungen beendet.
Ich habe deshalb jetzt überlegt, wie sich dieses Geschäftsmodell des Selbstempowerment durch Umdeutung allen Geschehens auf die Verkehrswende ummünzen lässt. Blöderweise kann man ja einen [2][Radweg] nicht selbst bauen. Leider: Bei meinem jüngsten Blick in die politische Glaskugel, so viel sei hier verraten, konnte ich die Verkehrswende gar nicht mehr im Aurafeld Deutschlands ausmachen.
Aber so ganz ohne Zukunftshallodri geht es ja auch nicht. Deshalb soll mein geplantes Werk politische und esoterische Bubble miteinander verbinden. Titel „Refraiming von Verkehrspolitik durch gezieltes Atmen“. Den Anfang stelle ich mir ungefähr so vor: „Unzählige Psycho-Spiri-Ratgeber können nicht irren: Das Universum hält alles bereit, was wir uns so sehnlich wünschen! Wir können in Zeiten wie diesen also entweder das [3][Fahrrad] ins Korn werfen und am Haltestellenmast des Schienenersatzverkehrs weinen – oder den Blickwinkel ändern.“
Das Buch imaginiere ich mir als eine Entdeckungsreise der Dankbarkeit, unterlegt mit praktischen Übungen. Etwa in dieser Richtung: „Tritt vor deine Tür. Breite die Arme zum Sonnengruß. Verbinde dich mit deinem Ursprung. Atme. Sei dankbar! Falls du Abgase riechst: Das Universum hat dir einen Geruchssinn geschenkt. Sei dankbar!“
Niemand hat die Absicht, eine Autobahn zu bauen
Ich würde darauf hinweisen, wie wichtig es ist, in dem zu ruhen, was ist: „Du gehst auf eine politische Veranstaltung. Wichtige Menschen sind eingeladen: solche, die Entscheidungen über eine Verkehrswende treffen könnten. Sie erklären, warum sie keine Entscheidungen für die Verkehrswende treffen können. Das Universum zeigt dir durch diese Begegnungen, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Niemand hat die Absicht, eine Autobahn zu bauen. Nur geht es ohne eben nicht. Sei dankbar.“
Als Abschluss denke ich an Körperübungen. „Du hast ein Zugticket gebucht und stehst am Bahnsteig. Zusammen mit vielen Menschen. ihr habt euren Zug früher erwartet und verweilt jetzt gemeinsam in der Erfahrung der Enttäuschung. Nutze diese Erfahrung für dich! Enttäuscht zu sein. Wie fühlt es sich an? Wo nimmst du dieses Abfallen der Täuschung in deinem Körper wahr? Atme. Nimm dich selbst wahr. Vielleicht kannst du diese Chance nutzen, dich aus der Hektik des Alltags auszuklinken und zur Ruhe zu kommen? Sei dankbar!“
Ich visualisiere große Erfolge für mich, den Verlag und alle Lesenden. Natürlich gibt es dann immer noch keine Verkehrswende, denn Realität ist, was bleibt, auch wenn man nicht daran glaubt. Aber wenn wir unseren Glauben an die Vernunft ganz achtsam loslassen, könnte das nicht helfen, sich irgendwie besser zu fühlen? Auf unserem Weg zu vielleicht irgendwann Tempo 30 innerorts, einer akzeptablen Radinfrastruktur und halbwegs pünktlichen Zügen.
22 Nov 2024
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