taz.de -- Papst äußert sich zu Gaza: Scharfe Worte aus Rom
Franziskus fordert eine Untersuchung zum Völkermordvorwurf gegen Israel. Ein UN-Sonderausschuss kam erst kürzlich zu dem Schluss, dass bestimmte Merkmale darauf hinweisen.
Berlin taz/dpa | Papst Franziskus hat sich dafür ausgesprochen, dass die internationale Gemeinschaft den Vorwurf untersuchen soll, ob Israel im Gazastreifen einen Völkermord begeht. „Manchen Experten zufolge hat das, was in Gaza geschieht, die Merkmale eines Völkermordes“, schreibt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in einem neuen Buch, aus dem die italienische Zeitung [1][La Stampa] vorab zitiert. Es ist seine bislang schärfste Kritik am Vorgehen Israels in Gaza.
Israel steht wegen der vielen zivilen Opfer und der katastrophalen Versorgungslage in Gaza weltweit in der Kritik. Vor dem [2][Internationalen Gerichtshof (IGH)] in Den Haag läuft eine von Südafrika erhobene Völkermordklage gegen Israel. Im Mai hatte zudem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag Haftbefehle unter anderem gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen der Kriegführung beantragt. Israel weist diese Vorwürfe kategorisch zurück und kommentierte die Äußerungen des Papstes zunächst nicht.
Ein UN-Sonderausschuss kam erst kürzlich zu dem Schluss, dass die Politik und die Praktiken Israels im Gazastreifen „mit den Merkmalen eines Völkermordes übereinstimmen“. In einem [3][Bericht], der am vergangenen Donnerstag veröffentlicht wurde, beschuldigte der UN-Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken das Land, „Hunger als Kriegsmethode“ einzusetzen, was zu „massenhaften zivilen Opfern und lebensbedrohlichen Bedingungen“ für die Palästinenser führe, wie es in einer [4][Pressemitteilung] dazu heißt. Das Komitee, das 1968 zur Überwachung der israelischen Besatzung eingesetzt wurde, erklärte in seinem Jahresbericht zudem, dass Israel im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, ein „Apartheidsystem“ unterhalte.
Bei einem israelischen Angriff im Norden des Gazastreifens kamen in der Stadt Beit Lahia beim Beschuss eines Hauses mindestens 17 Palästinenser ums Leben, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz mit. Nach Darstellung von Bewohnern der Stadt schlugen zwei israelische Raketen in das Haus ein. Das Gebäude sei dadurch völlig zerstört worden. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder, hieß es.
Erst am Sonntag sollen beim Bombardement eines fünfstöckigen Wohnhauses in Beit Lahia 72 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Das israelische Militär nahm dazu nicht Stellung. (dpa)
18 Nov 2024
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