taz.de -- Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam: Medien zeigen falsches Hetz-Video

Große Medien sendeten ein Video der Hetzjagden auf israelische Fans in Amsterdam, das sich als falsch erwies. Die Richtigstellungen sind halbherzig.
Bild: Fans? Demonstranten? Unübersichtliche Gemengelage während eines Europa-League-Spiels von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv

Männer jagen und prügeln sich auf offener Straße, dann eine Hetzjagd zwischen fahrenden Autos [1][in Amsterdam]. 42 Sekunden lang ist das Video, das kurz darauf überall ist: auch „Tagesschau“, Bild und SZ berichten über die Ausschreitungen gegen israelische Fans, die sich in der niederländischen Hauptstadt ereignet haben.

Nach einem Europa-League-Spiel von Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv kam es am Donnerstagabend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen [2][propalästinensischen] Demonstranten und israelischen Fans. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof sprach auf X von „inakzeptablen antisemitischen Angriffen auf Israelis“.

Seit Israel nach den Angriffen militanter Hamas-Kämpfer im Oktober letzten Jahres seinen Angriff auf die palästinensische Enklave Gaza begonnen hat, haben laut der Nachrichtenagentur Reuters antisemitische Vorfälle in den Niederlanden stark zugenommen. Das Video der Fotografin Annet de Graaf, und später von Reuters fälschlicherweise verifiziert, lief vergangenen Freitag in der „Tagesschau“. Auch andere deutsche Medienplattformen nutzten es, um die Ausschreitungen gegen die israelischen Fans zu bebildern.

Die Fotografin de Graaf stellte einen Tag später klar: das Video zeigte keineswegs eine Hetzjagd auf die Fans von Maccabi Tel Aviv. Die Jagenden waren die Fans selbst, die zuletzt in Athen mit ähnlichen Gewalttaten gegenüber arabischen Medien bekannt geworden waren.

De Graaf kritisierte die Medien, die das Video ohne Überprüfung auf allen Kanälen verbreitet hatten. Ihre Mahnung: „Beim Journalismus geht es darum, die Wahrheit zu finden. Nicht darum, Geld mit einer Verdrehung des Skripts zu verdienen.“

Fehler korrigiert, aber nicht erklärt

Seitdem haben viele deutsche Medien ihren Fehler korrigiert. Am Sonntag postete die SZ auf Instagram einen Hinweis, dass für die Berichterstattung zur Gewalt in Amsterdam Material von Reuters verwendet worden sei. „Laut der Urheberin des Materials wurde dieses von verschiedenen Medien, so auch uns, in einem falschen Kontext gezeigt“, hieß es dort. Das Video wurde daraufhin gelöscht. Auch auf tagesschau.de ist eine Korrektur zu finden, in der steht: „Wir haben das Video in einem falschen Kontext gezeigt.“

Eine Einordnung, was genau die Bilder zeigten und wer nun tatsächlich wen jagte, bleibt man dem Publikum schuldig. Eine Korrektur in der 20-Uhr-Sendung? Fehlanzeige. In der Bild prangt unter dem Standbild des Videos immer noch die Bildunterschrift: „Judenhasser jagten in der Nacht auf Freitag israelische Fußballfans durch Amsterdam.“ Auch der irreführende Instagram-Post der „Tagesschau“ bleibt online.

Das Absurde: Etliche Videos zeigen tatsächlich Hetzjagden auf israelische Fans in Amsterdam – die Vorfälle gab es, aber das Video, das die Runde machte, zeigte eben nicht diese Angriffe. Doch als der Medienfehler publik wurde, ging es bei den Korrekturen nur darum, das falsche Material herunterzunehmen oder mit knappen Erklärungen zu versehen, die den eigentlich gezeigten Vorfall vernebeln.

Wer jagte nun wen? Solche Pannen werfen nicht nur Fragen zur journalistischen Verantwortung auf. Sie verstärken die Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Medienlandschaft, die sich als objektiv und faktenbasiert präsentiert – eine Einladung an jene, die ihr ohnehin Einseitigkeit vorwerfen.

11 Nov 2024

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AUTOREN

Christina Koppenhöfer

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