taz.de -- Die Wahrheit: Wankende Ikonen

Neues aus Neuseeland: Auch in Aoeterea grassiert medial angefeuerte Verstörung und Verblödung – gut, dass es noch würdig ablebende Maori-Könige gibt.

Die Welt im Wandel? Krise und Konfusion? Tief im Süden erst recht. Im Land der langen weißen Wolke ist vieles nicht mehr, wie es mal war. Mächtige Größen des Kiwitums fallen, verschwinden, versterben oder wurden verfremdet. In den vergangenen Wochen hat uns nicht nur das friedliche Ableben des siebten Maori-Königs schwer in Beschlag genommen.

Kiingi (König) Tuheitia Pootatau Te Wherowhero VII verschied Ende August friedlich im Alter von 69 Jahren. Das war für Funk und Fernsehen, für Stämme und Städte mindestens so zeitfüllend und bewegend wie seinerzeit der Tod von Queen Elizabeth. Mit weniger staatstragendem Pomp als im Buckingham Palast, aber mit tagelangen Zeremonien und Kanufahrten wurde er beerdigt und seine Tochter als Königin gekürt.

Weniger feierlich lief’s mit anderen Ikonen ab. Der Zauberer von Christchurch, der einst als „Wizard“ mit schrägen Ansichten und spitzem Hut Touristen amüsierte und jahrelang von der Stadt für seine Umtriebe bezahlt wurde, hat sich vollends diskreditiert.

Auf Facebook zog der misogyne Greis öffentlich über „Porno Drag Queens“ her, die in Büchereien auftreten. Da sprang ihm sogar sein treuester Zauberlehrling ab.

Im Gegensatz zum anti-woken Wizard ist die Verstörung, die Neuseelands berühmtester Regisseur auslöste, jedoch komplett fremdverschuldet. Peter Jackson, Oberherr der „Herr der Ringe“, tauchte in einem Video auf, in dem er vor Medizinern warnte, aber ausgerechnet den umstrittenen Psychologen Jordan Peterson als „ehrlichen Doktor“ anpries. Dann empfahl der Hollywoodstar einen obskuren herzstärkenden Drink.

Leider gut gelungener Deepfake

Zum Glück war es nur ein Deepfake, aber leider gut gelungen. Und nicht das einzige KI-Werk, mit dem berühmte Kiwis verleumdet wurden. Auch Ashley Bloomfield, zu Pandemiezeiten allseits beliebter Gesundheitsdirektor, wurde für eine dubiose pflanzliche Arzneiwerbung filmisch verfremdet – allerdings zu offensichtlich. Den falschen australischen Akzent nahm ihm keiner ab.

So viel kriminelle Energie wird nur noch vom Diebesdrama in Lyttelton übertroffen. Im Hafenort von Christchurch steht die berühmte Timeball Station: ein historischer Turm mit astronomischer Uhr, 1870 zur Orientierung der Seefahrer gebaut. Um ein Uhr mittags fällt dort stets der Ball des Chronometers. Von 2003 bis 2009 bellte Minuten vorher immer ein in der Nachbarschaft lebender Jack Russell namens Skippy. Dann trabte er getaner Dinge nach Hause.

Als die Timeball Station 2017 nach dem Erdbeben restauriert wurde, setzte man Skippy ein Denkmal. Der schwarz-weiße Kläffer wurde zur Freude Lytteltons in Bronze verewigt. Doch diese Ewigkeit nahm im August ein jähes Ende. Skippy wurde eines Nachts geklaut. Falls die Diebe ihn eingeschmolzen haben, dann bellt er jetzt in den ewigen Jagdgründen neben dem verehrten Maori-König. Ein kleiner Trost in all dem Elend.

12 Sep 2024

AUTOREN

Anke Richter

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