taz.de -- Demonstrationen gegen rechts: Zu lange geschwiegen

Die Demos gegen rechts machen Mut und sind nötig. Denn die rechten Geheimpläne zeigen: Das „Nie wieder“ ist nicht unverrückbar.
Bild: Demonstration gegen rechts unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ am Brandenburger Tor am 14. Januar

Der Ruf „Björn Höcke ist ein Nazi“ geht vielen Dresdner:innen inzwischen flott über die Lippen. Wann immer der AfD-Politiker, seine Leute und andere rechtsextreme Gruppen in den vergangenen Monaten über die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt zogen, kamen Menschen zu Gegendemonstrationen zusammen – Angestellte, Schüler:innen, Studierende, Nachbar:innen. Die sächsische Zivilgesellschaft ist längst alarmiert und brauchte keine Undercover-Recherche, um zu erkennen, wie gefährlich die AfD ist und wie wichtig es ist, ihr entgegenzutreten. Gut, dass die gesellschaftliche Mitte, dass die Normalbürger:innen nun auch in Berlin und anderen linksliberalen Hochburgen auf die Straße gehen.

Die [1][Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmer:innen am Wochenende] in mehreren deutschen Städten sind ein echter Lichtblick und machen Mut. Sie können aber nur der Anfang sein. Denn zu lange hat die Mehrheit geschwiegen. Man hatte sich in der behaglichen Gewissheit eingerichtet, dass die AfD ein Problem des Ostens und der Provinz sei und die Demokratie unerschütterlich.

Doch [2][die Recherchen von Correctiv] über das klandestine Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern in einem Potsdamer Landhotel und deren Plan zur massenhaften „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund haben noch einmal gezeigt, wie radikal menschen- und demokratiefeindlich die AfD ist und welche Gefahr von ihr ausgeht. Sie ist eben keine „normale“ Partei, mit der man sich ganz normal streitet.

„Remigration“, das erinnert nicht nur vom Duktus her an den Begriff der „Endlösung“ [3][und an eine andere geheime Besprechung, zu der vor 82 Jahren nur wenige Kilometer von dem Potsdamer Hotel] entfernt der Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, geladen hatte. Der Ausgang ist bekannt.

Gefährdete Menschenrechte

Doch das „Nie wieder“, das seit Jahrzehnten das juristische und moralische Fundament des geteilten und des wiedervereinigten Deutschlands bildet, ist nicht unverrückbar, wie die rechtsextremen Pläne zeigen. Eine Demokratie, die nicht mit Leben gefüllt wird, verkommt zur Hülle. Menschenrechte, die nicht verteidigt werden, sind angreifbar und gefährdet.

Ja, Björn Höcke ist ein Nazi. Und so müssen er und seine AfD auch behandelt werden. Wer der AfD nicht entgegentritt, sondern versucht, sie rechts zu überholen und zu überbieten, wie es die Union etwa beim Thema Migration versucht, legitimiert ihre Forderungen. Die AfD und ihre Ideen müssen bekämpft werden, und zwar auf allen Ebenen: politisch, gesellschaftlich – und wenn möglich auch juristisch.

14 Jan 2024

LINKS

[1] /Umgang-mit-der-AfD/!5982848
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AUTOREN

Anna Lehmann

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