taz.de -- Konflikt im Südchinesischen Meer: China setzt auf Recht der Stärke

Mit Wasserwerfern geht Chinas Küstenwache gegen philippinische Versorgungsschiffe vor. Der Regionalkonflikt könnte außer Kontrolle geraten.
Bild: Eine Aufnahme der philippinischen Küstenwache soll zeigen, wie das philippinische Schiff bedrängt wird

Peking taz | Was sich zuletzt im Südchinesischen Meer zugetragen hat, ruft Erinnerungen an den biblischen Kampf zwischen David und Goliath hervor: Ein riesiges Patrouillenschiff der chinesischen Küstenwache steuerte am Wochenende auf ein in die Jahre gekommenes Versorgungsboot der Philippinen zu, attackierte es mit Wasserwerfern, nahm schließlich eine Kollision in Kauf.

Und obwohl der Vorfall auf Video aufgenommen wurde, streitet Peking jegliche Verantwortung einfach ab. Die Verantwortung liege einzig und allein bei den Philippinen, hieß es danach vom Pekinger Außenministerium. Deren Schiff sei illegal in chinesische Gewässer eingedrungen und habe das chinesische Küstenwachschiff absichtlich gerammt.

Dabei gibt es aus völkerrechtlicher Perspektive wenig Zweifel. Bei dem zwischen China und den Philippinen umstrittenen Territorium handelt es sich um das sogenannte Second-Thomas-Riff der Spratly-Inseln.

Dort hat Manila ein paar Soldaten auf einem absichtlich zur Markierung seiner Gebietsansprüche auf Grund gesetzten Wrack stationiert, die regelmäßig von philippinnischen Schiffen versorgt werden. Doch werden diese immer häufiger Opfer chinesischer Blockadeversuchen, wobei es zu Kollisionen, zum Einsatz von Wasserwerfern, Lasern oder auch Schallwaffen kommt.

China erkennt Urteil von Schiedsgericht nicht an

2016 hatte ein [1][internationales Schiedsgericht in Den Haag] unmissverständlich entschieden, dass die chinesischen Ansprüche auf das Gebiet unrechtmäßig sind. Das Urteil wirkt auch für den unbeteiligten Laien einleuchtend: Das Second-Thomas-Riff befindet sich rund 200 Kilometer vor der philippinischen Küste. Bis zum chinesischen Festland sind es rund viermal so viele Kilometer.

Doch Peking weigert sich schlicht, das Den Haager Urteil anzuerkennen. „Es ist offensichtlich, dass sie solch illegale Aktionen durchführen, schlicht weil sie glauben, dass sie es können“, sagt Jay Tarriela, Sprecher der philippinischen Küstenwache. China würde die vermeintliche Schwäche von Ländern wie den Philippinen ausnutzen, um die eigene Vorherrschaft zu behaupten. Ein Fiesling, der rein auf das Recht des Stärkeren setzt.

Die derzeitige Strategie Manilas folgt einem nachvollziehbaren Kalkül: Man möchte die Schikanen Pekings möglichst transparent aufdecken, um die Unterstützung und Sympathie der internationalen Gemeinschaft zu sichern. Dazu gehört auch, dass die Marine regelmäßig in- und ausländische Journalisten auf ihren Schiffen mitnimmt, damit sie Zeugen des chinesischen Vorgehens werden.

Denn rein militärisch stehen die Philippinen einem übermächtigen Gegner gegenüber. Die chinesische Marine hat sich in den letzten Jahren in atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt. Alle vier Jahre, sagte bereits 2021 der mittlerweile geschasste deutsche Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, würde China seine Flotte um die Größe der gesamten französischen Marine erweitern.

Von der bloßen Anzahl an Marine-Schiffen haben die Chinesen die USA schon im Jahr 2015 überholt. Doch insgesamt ist die Dominanz Washingtons nach wie vor unangetastet, da sie über mehr Flugzeugträger und Zerstörer verfügen. Die Zeit scheint aber eindeutig auf der Seite Pekings zu sein: Als autoritärer Herrscher kann Xi Jinping – ohne demokratische Gegenöffentlichkeit – so viele Ressourcen in seine Armee stecken, wie er es für richtig erachtet.

Ein unterschätzter Konflikt mit großer Sprengkraft

Dass die Brisanz rund um das Südchinesische Meer von deutschsprachigen Medien unterschätzt wird, zeigt schon die stiefmütterliche Berichterstattung. Ein weiterer Vorfall vom Wochenende, bei dem die chinesisches Küstenwache ein japanisches Schiff erfolgreich rund um die [2][umstrittenen Diaoyu- beziehungsweise Senkaku-Insel nordöstlich von Taiwan] vertrieben hat, bekam praktisch keinerlei Aufmerksamkeit.

Dabei handelt es sich im Südchinesischen Meer keineswegs um rein regionale Streitigkeiten, sondern vielmehr um einen Territorialkonflikt, an dem sich potenziell ein Weltkrieg entzünden könnte.

Denn indirekt sind auch die USA als Schutzmacht ihrer Alliierten im Indo-Pazifik involviert. „Die Vereinigten Staaten stehen angesichts dieser gefährlichen und unrechtmäßigen Handlungen an der Seite unserer philippinischen Verbündeten“, sagte US-Außenamtssprecher Matthew Miller am Sonntag.

Er bezeichnete die Handlungen der Chinesen als „rücksichtslose Missachtung des Völkerrechts“. Zudem machte er klar, dass man den 1951 geschlossenen Vertrag über die „gegenseitige Verteidigung“ ernst nimmt. Dieser umfasse auch bewaffnete Angriffe auf philippinische Schiffe im Südchinesischen Meer. Im Ernstfall stünden sich also die zwei Weltmächte gegenüber.

12 Dec 2023

LINKS

[1] /Den-Haag-Urteil-zu-Suedchinesischem-Meer/!5322577
[2] /Inselstreit-zwischen-Japan-und-China/!5029125

AUTOREN

Fabian Kretschmer

TAGS

Südchinesisches Meer
China
Philippinen
USA
Philippinen
Präsidentschaftswahl Taiwan
Taiwan
Präsidentschaftswahl Taiwan
Taiwan
China
China

ARTIKEL ZUM THEMA

Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen: Eine schrecklich blutige Familie

Im Süden der Philippinen startet der Duterte-Clan wieder einen blutigen Krieg gegen die Drogen. Präsident Marcos Jr. geht nur etwas auf Distanz.

Wahlen in Taiwan: Peking-Kritiker Lai wird Präsident

Taiwan wählt mit William Lai erneut einen Präsidenten, der Abstand zu China halten möchte. Der Peking gewogene Hou Yu-ih kriegt aber auch viele Stimmen.

Taiwan stimmt ab: Eine Insel mit zwei Wahlen

Die Menschen in Taiwan entscheiden über Präsidentschaft, Parlament und den Umgang mit dem großen Nachbarn China. Fragen und Antworten.

Wahlen in Taiwan: Insel der Demokratie

Taiwan wählt am Samstag einen neuen Präsidenten. Der Wahlkampf wird bestimmt vom Verhältnis zum bedrohlichen Nachbarn China.

Prepper in Taiwan: Gebrauchsanleitung für einen Krieg

Was passiert, wenn China Taiwan angreift? Tobie Openshaw ist bis ins Detail vorbereitet auf jedes Szenario in einer sehr realen Bedrohungslage.

Konflikt ums Südchinesische Meer: China stationiert Raketen

Peking militarisiert Riffe, die mehrere Länder für sich beanspruchen. Marschflugkörper sollen Ziele in einer Entfernung von über 500 Kilometern treffen können.

Vorherrschaft im Südchinesischen Meer: China baut Militärstützpunkte aus

Militärische Eskalation? Die USA sehen die Präsenz Chinas im Südchinesischen Meer kritisch: Ein Drittel der weltweiten Seetransporte führt durch das Gebiet.

Gebietskonflikt im Südchinesischen Meer: Steine des Anstoßes

Zwischen den Philippinen und China droht der Streit um ein kleines unbewohntes Atoll zu eskalieren. Das Gebiet soll sehr rohstoffreich sein.