taz.de -- Reform der Straßenverkehrsordnung: Weg vom Autofokus
Der Bundesrat berät über Reformen der StVO. Streitpunkte gibt es genug – gerade die Kommunen hoffen auf einen Beschluss.
Berlin taz | Platz für einen Radweg zu schaffen oder eine Tempo-30-Zone einzuführen ist für Kommunen oft aufwendig – wenn nicht schier unmöglich. Am Freitag berät der Bundesrat abschließend über Reformen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO), die das ändern sollen.
Der Bundestag hat das neue StVG Mitte Oktober gebilligt, nun steht die Bestätigung der Länderkammer an. Bisher war bei neuen Mobilitätsprojekten vor Ort die Sicherheit und Leichtigkeit des Autoverkehrs oberstes Gebot. Die Novelle enthält nun auch die Ziele Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung.
Das [1][StVG bildet aber nur die gesetzliche Grundlage], die konkreten Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen werden in der StVO festgelegt. „Der vorgelegte Entwurf zur StVO-Novelle geht in die richtige Richtung“, kommentiert Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsklubs VCD. „Doch er bleibt hinter den Möglichkeiten zurück, die das neue Straßenverkehrsgesetz eröffnet.“ Kommunen müssten zum Beispiel nach wie vor in aufwendigen Verfahren Gefahrenlagen nachweisen, [2][wenn sie eine Maßnahme ergreifen wollen], die den fließenden Verkehr einschränkt.
Mehrere Ausschüsse des Bundesrats sprechen sich in 21 Anträgen für ambitioniertere Änderungen der StVO aus. Das Bundesverkehrsministerium hält jedoch nur sechs davon für unproblematisch, für die restlichen sieht es sogenannte Verkündungshindernisse.
Verkehrsministerium hat politische Zweifel
„Normalerweise beruhen Verkündungshindernisse eher auf juristischen Bedenken“, erklärt Verkehrspolitikerin Swantje Michaelsen (Die Grünen). In diesem Fall hege das Ministerium aber auch politische Zweifel.
Für den Bundesrat ist es eine Gratwanderung: Wenn er auf allzu ehrgeizigen Änderungen beharrt, droht der Beschluss der StVO-Reform komplett ins Wasser zu fallen. Die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“, der bundesweit 1.000 Kommunen angehören, setzt sich deshalb dafür ein, „dass jetzt ein Beschluss zustande kommt, um den [3][zwar kleinen, aber immerhin vorhandenen Fortschritt] nicht zu gefährden“, wie es in einem Statement heißt.
24 Nov 2023
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Lange wurde verhandelt: Künftig können Städte und Gemeinden einfacher Radwege, Zebrastreifen und Tempo-30-Zonen einrichten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Anwohner können gegen zugeparkte Gehwege vorgehen. Der Städte- und Gemeindebund gewinnt dem viel ab.
Die Länder stimmen gegen das neue Straßenverkehrsgesetz. Kommunen und Verbände hatten auf Radwege und Tempolimits gehofft.
Flensburg streitet wieder über Bäume: Sie sollen für einen Radweg gefällt werden. Der Naturschutzbeauftragte hält das Vorhaben für überdimensioniert.
Wie ich versuchte, einen Zebrastreifen vor einer Schule einrichten zu lassen. Und erkennen musste, dass sie von der Gnade des Verkehrsgottes abhängen.
Als Radfahrer bei Rot an der Ampel rechts abbiegen? Laut Straßenverkehrsordnung geht das: mit Zusatzschild. Hamburg tut sich beim Genehmigen schwer.