taz.de -- ZDF-Serie über Diversity: Ein bisschen zu viel Performance
Wie ist es als schwarze Frau in aktivistischen linken Kreisen? Das verarbeitet Regisseurin Merle Grimme in ihrer Serie „Clashing Differences“.
Die Vorständinnen des fiktiven Vereins „House of Womxn“ sind im Panikmodus. Ihr Panel für die internationale Frauenkonferenz steht vor dem Aus. Die Teilnehmer*innenliste sei zu weiß, so die Kritik. Ein neues Panel muss her. Dafür gibt es eine Diversity-Checkliste: am besten zwei schwarze Frauen, jemand Queeres, eine asiatisch gelesene Frau und vielleicht noch jemand mit Behinderung.
Der Film „Clashing Differences“ begleitet das so zusammengestellte Panel, das in einem abgelegenen Vereinshaus in Brandenburg zusammenkommt. Sie sollen den Auftritt vorbereiten, Videointerviews geben und gemeinsam ein Manifest zum Thema Diversity verfassen.
Alle Panelteilnehmer*innen haben Diskriminierungserfahrungen gemacht und sind zudem auf unterschiedliche Arten (beruflich, freundschaftlich, romantisch oder familiär) miteinander verbunden. Als dann noch „House of Womxn“ überraschend die weiße, Second-Wave-Feministin Hannah als Moderatorin zur Gruppe schickt, kippt die Stimmung endgültig. Auch als in der Nacht ungebetene Gäste an der Tür klingeln und die Personen im Haus bedrohen, scheinen die politischen und persönlichen Differenzen zu groß, um zusammenzuarbeiten.
Mit „Clashing Differences“ verarbeitet die Regisseurin und Autorin Merle Grimme ihre Erfahrungen als [1][schwarze Frau] in linken Strukturen und der [2][aktivistischen Vereinsarbeit] zu einer Satire auf aktuelle Identitätsdebatten. Der Film wirkt zunächst wie etwas, was sich konservative Instagramkommentator*innen ausgedacht haben könnten. Gerade in der ersten halben Stunde stellen die Protagonist*innen überspitzte Stereotype dar. Wenn beispielsweise die schwarze Designerin Kisha die Rolle der „sassy black woman“ einnimmt und das Gurkenwasser mit einem augenrollenden „Pff, white people“ kommentiert, ist der Fremdschämfaktor erst einmal groß.
Doch im Laufe des Films nehmen die Figuren wirklich Gestalt an. Grimme lässt die Personen zwischendurch immer wieder direkt in die Kamera schauen. In Monologen geben sie Einblick in ihre Gefühle. So spricht die schwarze Aktivistin Flora über die körperliche Reaktion auf die Bedrohung durch Diskriminierung und Rassismus. Wie der Körper in Alarmbereitschaft gesetzt wird, doch man als Opfer nicht wütend werden darf. Als Zuschauer*in mit Diskriminierungserfahrung fühlt man sich in diesen Momenten endlich gesehen.
Kampf ums Überleben
Grimme zeigt in ihrer Serie eindrücklich, wie schädlich und beleidigend es ist, wenn Diversität zu einer Performance degradiert wird, in der Aktivist*innen gefälligst ihre Rolle spielen sollen. Doch dahinter verbergen sich eben Menschen, unkorrekte Menschen, irrationale Menschen, verletzte Menschen. Für sie ist es kein Spiel, sie kämpfen um ihr Leben und es kann nicht alles an ihnen hängen bleiben.
Leider will die Serie „Clashing Differences“ aber zu viel – viel zu viele Probleme tummeln sich in einem Panel, die dann teilweise nur einmal kurz angesprochen werden: Der Colorism in vielen Communitys, der Klassismus in der linken Szene, Adoptionstrauma, Transphobie in den Communitys etc. Dazu kommen noch persönliche Probleme und eine Dreiecksbeziehung, nach der keine*r gefragt hat. Es ist klar, dass Grimme zeigen will, wie komplex und schwierig eine solidarische Zusammenarbeit zwischen Minderheiten ist. Dabei ist sie allerdings in die Falle getappt und hat gefühlt selbst mit einer Diversity-Checkliste gearbeitet.
4 Oct 2023
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