taz.de -- Wahlergebnis der Ampelparteien: Selbstgemachte Niederlage

Die Ampelparteien sackten in der Wählergunst deutlich ab: Der Dauerstreit in Berlin und Faesers Kandidatur bescherten Union und AfD gute Ergebnisse.
Bild: Es war ein Kardinalfehler, dass die amtierende Innenministerin auch noch in Hessen kandidierte

Diese Doppelrunde geht klar an die Union. Mit komfortablem Vorsprung gewinnen die CSU in Bayern und die CDU in Hessen die Landtagswahlen, die amtierenden Ministerpräsidenten Markus Söder und Boris Rhein können sich auf eine weitere Amtszeit einrichten, wenn auch, im Falle Söders, mit dem schlechtesten CSU-Ergebnis aller Zeiten. Einen Doppelrumms – angelehnt an Scholz’ Bonmot – erleben dagegen SPD, Grüne und FDP, die im Bund zusammen regieren. Sie sind in beiden Ländern in der Gunst der Wähler:innen zum Teil sehr deutlich abgesackt. Diese Landtagswahlen sind ein deutlicher Denkzettel für die Berliner Ampel.

Dass Söder und Rhein sich so erfolgreich an der Ampel abarbeiten konnten, der „schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten“ (Rhein), „die man in die Wüste schicken muss“ (Söder), liegt vor allem an hausgemachten Fehlern. In [1][Hessen], wo die SPD im Frühjahr noch mit Aplomb den Regierungswechsel ankündigte, hat sie mit Nancy Faeser klar auf die falsche Kandidatin gesetzt. Faeser, die in einer Zwitterrolle antrat, konnte sich nicht vom Amt der Bundesinnenministerin lösen und drang als Spitzenkandidatin nicht durch mit Themen wie Bildung, die die SPD als progressive Alternative zum schwarz-grünen Bleibündnis profilieren sollten. Es war ein Kardinalfehler, dass Faeser zweigleisig fuhr, um sich alle Optionen offenzuhalten – nun hat sie nur noch die zerknirschte Rückkehr an den Kabinettstisch in Berlin, wo sie darauf hoffen muss, dass Olaf Scholz, der weder als Bürgermeister noch als Bundeskanzler eine Regierungsmitarbeiter:in gefeuert hat, sich treu bleibt.

Doch die SPD hätte in Hessen vermutlich auch dann verloren, wenn das aktuelle bundespolitische Megathema, die Migration, nicht beide Landtagswahlkämpfe überwölbt hätte. Denn zu schlecht ist das Ansehen der Ampel in der krisenzermürbten Bevölkerung, zu enervierend die Dauerstreitigkeiten und die Schnitzer, etwa beim Heizungsgesetz.

[2][Faesers zuletzt fahrige Migrationspolitik] und der angebliche Kontrollverlust der Regierung bei diesem Thema wirkten nun wie eine Bestätigung der bisherigen handwerklichen Fehler der Ampel. Bestätigt fühlen können sich vor allem rechte Populist:innen – das spiegeln die katastrophal guten Ergebnisse der AfD in beiden Ländern wider und das Hoch für die freien Wähler in Bayern. Deren Chef [3][Hubert Aiwanger] bedient sich gern mal aus dem rhetorischen Fundus der AfD. Diese Wahlen sind mithin auch eine Warnung an alle demokratischen Parteien, der populistischen Versuchung zu widerstehen. Das Spiel mit Ressentiments könnte sich im nächsten Jahr, wenn in den drei ostdeutschen Ländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewählt wird, als böser Bumerang erweisen.

8 Oct 2023

LINKS

[1] /Landtagswahl-in-Hessen/!5960498
[2] /EU-Asyl-Krisenverordnung/!5961205
[3] /Django-Asuel-ueber-Niederbayern/!5962832

AUTOREN

Anna Lehmann

TAGS

Landtagswahl Bayern
Schwerpunkt AfD
IG
Landtagswahl in Hessen
Nancy Faeser
Wahlen
GNS
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl Bayern
Landtagswahl in Hessen
Landtagswahl Bayern

ARTIKEL ZUM THEMA

Landtagswahlen in Bayern und Hessen: Ampel-Desaster und Rechtsruck

Die Wahlen in Hessen und Bayern sind ein Fiasko für die Ampel. Dabei ist jetzt ein gemeinsames Signal gegen die extreme Rechte gefragt.

CDU gewinnt Landtagswahl in Hessen: Boris Rhein hat die Wahl

Doch kein Dreikampf in Hessen: CDU-Mann Rhein gewinnt mit einem unerwartet guten Ergebnis. Die SPD stürzt ab. Bleibt Nancy Faeser Innenministerin?

Landtagswahlen in Hessen und Bayern: Grüne verfehlen ihre Wahlziele

Die Grünen wollten in Hessen den Ministerpräsidenten stellen und in Bayern in die Regierung kommen. Daraus wird angesichts deutlicher Verluste nichts.

+++ Live-Ticker zu Landtagswahlen +++: FDP wieder knapp überm Durst

Die Liberalen müssen in Hessen zittern bis zum Schluss. AfD legt in Bayern und Hessen deutlich zu. Ampel-Parteien verlieren. Linke streitet unter ferner liefen.

Hessen vor der Landtagswahl: Man kennt sich gut

Das politische Hessen ist ruhig geworden, die Tage der Aufregung sind seit dem Scheitern der Ex-SPD-Vorsitzenden Ypsilanti passé. Ein Rückblick.

Vor der Landtagswahl in Bayern: Ein paar Stunden eine bessere Welt

Der Widerstand gegen Rassismus ist eher lau – sogar vor der Landtagswahl in Bayern. Doch zur jüngsten Demo gegen Rechts in München kamen 35.000 Menschen