taz.de -- Fußball-WM 2023 ist bald vorbei: Der diskrete Charme dieses Turniers

Kein Public Viewing, kein Platzfreihalten. Auch dank der ungewöhnlichen Spielzeiten hat diese WM etwas Entspanntes.
Bild: Hier Aufregung, da Entspannung: Australierinnen beim Jubel

Schade, dass es fast schon wieder vorbei ist. Am Ende fühlt es sich beinahe so an, als ob sich so ein Turnier ausschleiche. Statt zwei oder drei Spiele am Tag kommen da insgesamt nur noch vier (ja, es gibt ein Spiel um Platz 3), verteilt auf weit voneinander entfernt liegende Tage.

Nun könnte man sagen, es gebe eh genug Fußball. Die Männer legen national ja auch wieder los – 2. und 3. Liga, [1][Supercup], Pokalrunde. Der Sättigungsgrad kommt schnell.

Aber wie jedes Großturnier, oder sagen wir, wie fast jedes Großturnier hat auch die WM 2023 in Australien und Neuseeland einen besonderen Charme. Was daran liegt, dass das Turnier so weit entfernt stattfindet und viele Spiele zu interessanten Uhrzeiten angepfiffen werden. Die Nachteulen und Ausgehmenschen jüngeren Alters zum Beispiel konnten sich nach dem Ausgehen, berauscht und müde, noch gemütlich das Viertelfinale zwischen den Niederlanden und Spanien zu Gemüte führen. Es wurde um 3 Uhr nachts angepfiffen. [2][Frühaufsteher sind eh gut im Turnier] – Fußball und Frühstück, das hat was. Besonders an einem freien Wochenende.

Weiterer Pluspunkt dieses Turniers: die relative Unaufgeregtheit. Die Sommerturniere der Löw-Mannschaft-Hype-Jahre waren anstrengend, schlauchend; obwohl jedes kleine Geschäft in der Hoffnung, ein größeres zu machen, einen Flachbildschirm rausstellte, wurde das Rudelgucken insgesamt schnell zu einem logistischen Problem: Wo gab es noch freie Plätze? Wo war das Signal nicht sekundenverzögert später als in der einen Kneipe, in die man nicht so gerne geht? Besonders zu Deutschlandspielen musste man handtuchbewehrt bis zu zwei Stunden vor Anpfiff vor Ort sein; es herrschten anarchische Zustände, was besonders das Platzfreihalten anbetraf, so rum oder so rum. Man hasste die mit den Handtüchern, man hasste die Frage „Hier noch frei?“.

Eingemümmelt

Wie schön und entspannend ist es da, morgens beim laufenden Spiel Frankreich gegen Australien noch schnell zum Supermarkt zu gehen, und nirgends ist irgendeine Aufregung zu spüren. Man begegnet einer Kleingruppe Franzosen, die sich einen feuchten Kehricht um ihre Blauen kümmern. Keine plärrenden Fernseher in der Hitze. Keine anstrengenden Fans.

Schön ist auch der Gegensatz – umgekehrt zur Katar-WM – zwischen Fernsehbild und Realität: Hier ist Sommer, da unten sind die Fans eingemümmelt. Schade, dass es schon wieder fast vorbei ist.

13 Aug 2023

LINKS

[1] https://www.jungewelt.de/artikel/456736.phantom-des-tages-harry-kane.html
[2] /Die-WM-aus-oesterreichischer-Perspektive/!5949086

AUTOREN

René Hamann

TAGS

Frauen-Fußball-WM 2023
Kolumne Oben
Public Viewing
Elfmeterschießen
Frauen-Fußball-WM 2023
Frauen-Fußball-WM 2023
Frauen-Fußball-WM 2023
Frauen-Fußball-WM 2023
Martina Voss-Tecklenburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Spanien vor dem Endspiel: Heikle Situation um Las 15

Gibt der aktuelle WM-Erfolg Spaniens Trainer und Verband recht? Verstummt die Kritik an den spanischen Verantwortlichen? Alles ist möglich.

Australien im WM-Ausnahmezustand: Höhenflug der Hysterie

Im Vorfeld des WM-Halbfinales der australischen „Matildas“ gegen England ist jede und jeder ein Fußballfan – sogar in 11.000 Meter Höhe.

Neue Stars bei der WM: Jugend forsch

Wer spricht bei der WM noch von Rapinoe, Sinclair oder Marta? Längst haben junge Ausnahmespielerinnen die Bühne übernommen. Unsere Elf des Aufbruchs.

Doku-Heldinnen des DFB: Fast alles außer Fußball

Was passiert nach dem deutschen WM-Ausscheiden mit der Heldinnen-Doku „Born for this“? Einfach weiter so, Fußball spielt dort eh kaum eine Rolle.

Deutsches Ausscheiden bei der WM: Brüchiges Fundament

Um den deutschen Frauenfußball steht es schlecht. Doch Kritik wird nur samtpfötig vorgetragen. Das erschwert das Vorantreiben notwendiger Reformen.