taz.de -- Russischer Anarchist im Ukrainekrieg: Tod im Donbass

Dmitri Petrow hat im Krieg aufseiten der Ukraine gekämpft. Nun ist der russische Anarchist bei Gefechten um die Stadt Bachmut getötet worden.
Bild: Bachmut im Februar: In den Kämpfen um die Stadt starb nun auch der russische Anarchist Petrow

Berlin taz | Das Gespräch hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Dmitri Petrow analysierte und argumentierte auch bei konfrontativen Fragen sachlich. [1][Vielleicht konnte ihn das Interview] gar nicht aus dem Konzept bringen, weil er von seiner Grundhaltung ohnehin so überzeugt war, dass er sie mit Waffengewalt verteidigte. „Mit dem Krieg finde ich mich wieder an der Spitze des Kampfes gegen Putins Regime, den ich auch viele Jahre in Russland geführt habe“, sagte Petrow im März der taz. Jetzt ist der Anarchist [2][bei Gefechten im ukrainischen Bachmut] getötet worden.

Die ukrainische Organisation Operation Solidarity bestätigte am Montag den Tod Petrows. Die anarcho-kommunistische Kampforganisation BOAK hatte zuvor eine Erklärung veröffentlicht, die Petrow für den Fall seines Todes geschrieben hatte: „Als Anarchist, Revolutionär und Russe hielt ich es für notwendig, mich am bewaffneten Widerstand des ukrainischen Volkes gegen Putins Besatzer zu beteiligen. Ich tat dies für die Gerechtigkeit, für die Verteidigung der ukrainischen Gesellschaft und für die Befreiung meines Landes von Unterdrückung.“

Der BOAK zufolge wurde Petrow am 19. April bei Bachmut getötet. Die Frontstadt im Donbass hat sich zu einem der blutigsten Schauplätze des [3][Kriegs Russlands gegen die Ukraine] entwickelt. Berichten zufolge sind dort seit August 2022 Tausende Soldaten auf ukrainischer und russischer Seite gestorben. Von den ehemals 70.000 Einwohnern leben nur noch etwa 4.000 Menschen in der Stadt.

Der anarchistischen Organisation Black Headquarter zufolge starben am 19. April mit Petrow auch der US-amerikanische Aktivist Cooper Andrews und der irische Kämpfer Finbar Cafferkey. Demnach waren die drei Soldaten in einer gemeinsamen Einheit in Gefechte um eine Straße nach Bachmut involviert.

Auch für Waffenlieferungen machte er sich stark

Mit der taz hatte Petrow unter dem Pseudonym Ilya Leschin darüber gesprochen, warum er sich als Anarchist den ukrainischen Streitkräften angeschlossen hatte. „Im Kampf gegen das russische Regime kann unsere politische Alternative dazu geboren werden, in Form von sozialer Gerechtigkeit, Freiheit und Selbstverwaltung“, sagte er. Dabei machte er sich auch für westliche Waffenlieferungen an die Ukraine stark.

Die anarchistische Szene in der Ukraine zeigte sich erschüttert von dem Tod Petrows. „Dima war einer der Gründer des Widerstandskomitees und einer der ersten Anarchisten, der im Kampf gegen Putins Armee die Waffen ergriffen hat“, hieß es in einer Erklärung der Vereinigung Black Headquarter. „Sein Tod ist ein gewaltiger Verlust für uns und den weltweiten Befreiungskampf.“ Gegenüber der taz hatte Petrow damals geschrieben, weiter in Kontakt bleiben zu wollen. „Ich gebe mein Bestes, um sicher zu bleiben.“

2 May 2023

LINKS

[1] /Russischer-Anarchist-verteidigt-Ukraine/!5918395
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5928187
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150

AUTOREN

Cem-Odos Güler

TAGS

Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Donbass
Wladimir Putin
Russland
Anarchisten
wochentaz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Antimilitarismus in der Linken: Wehrt man sich nicht, lässt man es zu

Die Menschen in der Ukraine können entweder beim Sterben zusehen oder eingreifen, um Leben zu retten. Warum Sofapazifismus ihnen nicht hilft.

Ukrainischer Pazifist angeklagt: Wegen „Störung der Mobilisierung“

Der Jurist Juri Scheljaschenko soll pro-russische Propaganda verbreitet haben. Er weist das zurück und klagt gegen Paragraf 436 im Strafgesetzbuch.

Getöteter Journalist in der Ukraine: „Ein echter Reporter vor Ort“

Der französische AFP-Journalist Arman Soldin starb durch eine russische Rakete. Nicht nur bei der Nachrichtenagentur ist der Schock groß.

Drohnenangriffe auf Odessa: Explosionen am Schwarzen Meer

Neue Drohnenangriffe haben die Ukraine getroffen, vor allem die Hafenstadt Odessa. In Russland hat indes eine Ölraffinerie gebrannt.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski überraschend in Helsinki

Der ukrainische Präsident ist in Finnland eingetroffen. Laut russischen Angaben hat die Ukraine versucht, mit Drohnen den Kreml anzugreifen.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: 100.000 russische Soldaten verloren

Laut US-Geheimdiensten sind in den letzten fünf Monaten 20.000 russische Soldaten gestorben. In Polen läuft bis zum 26. Mai die größte Nato-Militärübung des Jahres.

Willkür in Russland: Jeder lebt in seinem Versteck für sich

Schon das Lesen unabhängiger Nachrichten in der Metro kann eine Haftstrafe nach sich ziehen. Furcht, Verbitterung und Unterwerfung bestimmen den Alltag.

Wie Russland um Soldaten wirbt: „Du bist doch ein Kerl!“

Mit Chauvinismus und finanziellen Wohltaten versucht Putin, Männer für den Krieg zu gewinnen. Dafür werden extra Anlaufstellen eingerichtet.

Russischer Anarchist verteidigt Ukraine: „Wir kämpfen gegen Putins Regime“

Er und seine Genossen wollen die freie Gesellschaft an der Front verteidigen: Gespräch mit einem russischen Anarchisten, der auf ukrainischer Seite kämpft.