taz.de -- 27 Prozent Mietanstieg in Berlin: Möbliert Mieten zu Münchner Preisen
Die Preise für Mietwohnungen schießen durch die Decke. Inzwischen machen möblierte Wohnungen die Hälfte des Angebots aus.
Berlin taz | Auch 20 Jahre nach der Erstausstrahlung der RTL-Dokuserie „Einsatz in 4 Wänden“ erfreuen sich Einrichtungsshows großer Beliebtheit. Viele Menschen schauen gern dabei zu, wie Wohnungen zu lebenswerten Orten werden – auch weil sie selbst kein Händchen dafür haben, aus ihrem chaotischen Loch ein Tine-Wittler-Appartement zu machen. Doch es gibt Abhilfe.
Ein Blick auf die Seiten der führenden Vermietungsmarktportale zeigt: Wohnungen muss man nicht mehr als kargen Raum zwischen schlecht geweißten Wänden mieten. Allenthalben heißt es: „Furnished 2 rooms apartment“ oder „Möbliertes Studio Erstbezug“. Die Einrichtungen so stylisch aufeinander abgestimmt wie umfassend: von Bett und Schränken bis hin zu Handtüchern und Kaffeemaschine, bei Bedarf auch mit Reinigungs- und Wäscheservice. Ikea-Selbstbau war gestern.
Der Anteil möblierter Wohnungen ist landesweit auf 13 Prozent gestiegen, so [1][ImmoScout]. Noch besser haben es Einrichtungsmuffel in Berlin. Hier sind inzwischen 51 Prozent der Wohnungsangebote möbliert. Die Sache hat dabei einen einzigen Haken: Man muss es sich leisten können.
So kosten die schicken 55 Quadratmeter in Friedrichshain 1.900 Euro kalt, das Studio mit seinen 17 Quadratmetern 700 Euro – beides keine Extrembeispiele, sondern Standardangebote unter hunderten. Zwar sind Möblierungszuschläge erlaubt, doch [2][laut Berliner Mieterverein] dient möblierter Wohnraum „nicht selten zur Umgehung der Mietpreisbremse oder der Verschleierung von Vergleichsmöglichkeiten“. 22,50 Euro/qm sind für diese Wohnungen im Schnitt fällig – viele sind deutlich teurer. Kaum vorstellbar, dass dieselben Wohnungen zuvor ohne Möbel maximal zehn Prozent weniger kosteten.
27 Prozent Mietanstieg in 3 Monaten
Der Trend spiegelt sich nun in neuen Zahlen wider, die schocken. Die Berliner Angebotsmieten in allen Bestandswohnungen sind laut [3][Immowelt] in nur drei Monaten um 27 Prozent angestiegen – selbst für das Portal ist das „dramatisch“ und ohne Vergleich. Berlin ist damit zur zweitteuersten Stadt nach München (plus 4 Prozent) auf-, oder besser: abgestiegen. Statt 9,86 Euro je Quadratmeter Ende vergangenen Jahres werden nun im Schnitt 12,55 Euro fällig. Von Nebenkosten ist da noch nicht die Rede.
Wenn nun [4][CDU und SPD zusammenkommen], wird kaum von Mieterschutz die Rede sein. Die Berliner CDU bekam 2020 Spenden in Höhe von 800.000 Euro vom Immobilienunternehmer Gröner, [5][der SPD fällt bis auf Neubau] („Erstbezug“) schon lange nichts mehr ein. Ohne Mieterschutzmaßnahmen und auch den Einsatz dafür auf Bundesebene – Mietendeckel! – aber wird aus dem Mietenwahnsinn schon bald die Mietenkatastrophe werden. Dann doch lieber die Einrichtungskatastrophe.
9 Mar 2023
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der erste Bezirk will gegen möblierte und zeitlich befristete Wohnungen vorgehen. Auch der Senat ist interessiert.
Mit möblierten Wohnungen lässt sich die Mietpreisbremse leicht aushebeln. Hamburg und Bremen wollen mit einer Bundesratsinitiative dagegen vorgehen.
Eine Untersuchung aktueller Inserate zeigt: Für Studierende und Auszubildende sind selbst WG-Zimmer kaum noch bezahlbar.
Tausende von Mails schreiben, im Gemüseladen fragen, den Namen eindeutschen: Die Verzweiflung von Wohnungssuchenden ist groß, nicht nur in Berlin.
Franziska Giffey und ihr Bausenator haben sich in der Wohnungspolitik von Inhalten verabschiedet. Stattdessen wird moralisch argumentiert und attackiert.
Blaczko-Hausverwaltung trifft auf organisierte Mieter:innenschaft. Rechtswidrige Methoden und Einschüchterungsversuche kommen ans Tageslicht.
... oder wie Vermieter das Mietendeckel-Gesetz umgehen und brechen. Vier Beispiele für eine schamlose Praxis.