taz.de -- Joe Bidens Rede zur Lage der Nation: Biden über Biden: weiter so!

Ein klarer Fokus auf die Innenpolitik und ein Vorgeschmack auf den nächsten Wahlkampf: US-Präsident hielt seine zweite Jahresansprache zur Lage der Nation
Bild: Gut drauf: Joe Biden genießt seine rund 70-minütige Rede zur besten Sendezeit

Washington taz | Ein Amerika voller Möglichkeiten. So beschreibt US-Präsidenten Joe Biden seine Nation. Was genau damit gemeint sei, erklärte Biden am Dienstagabend während [1][der alljährlichen Rede des Präsidenten zur Lage der Nation]. Biden zeigte sich dabei kämpferisch, neue politische Impulse und Ideen brachte er allerdings nicht vor.

Biden nutzte die ihm als Präsident zur Verfügung stehende Plattform, um die Erfolge seiner Regierung während der vergangenen zwei Jahre hervorzuheben. Dazu zählt die niedrigste Arbeitslosenquote seit mehr als 50 Jahren mit 3,4 Prozent. Ein Gesetzespaket zur Bekämpfung des Klimawandels sowie Milliardeninvestitionen in die Modernisierung der Infrastruktur und den Ausbau der heimischen Produktion.

Wie schon sein Vorgänger [2][Ex-Präsident Donald Trump] verfolgt auch Biden das Ziel, auf heimische Produkte und Erzeugnisse zu setzen. Unter Trump hieß das „America First“, unter Biden „Buy American“. „Für zu viele Jahrzehnte haben wir Produkte importiert und Arbeitsplätze exportiert. Doch dank unserer Bemühungen, exportieren wir jetzt amerikanische Produkte und erzeugen amerikanische Arbeitsplätze“, sagte Biden.

Für diese Fortführung und Ausweitung von Trumps Politik gab es für den Demokraten Biden sogar [3][von republikanischer Seite Beifall]. Insgesamt konzentrierte sich Bidens Ansprache trotz vieler internationaler Brennpunkte – Ukrainekrieg, Wettbewerb mit China, Handelsspannungen mit Europa – vor allem auf innenpolitische Themen.

Biden wird wohl weitermachen wollen

Manche Beobachter gehen auch deshalb davon aus, dass die Rede ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf war. Zwar hat Biden seine Kandidatur für 2024 noch nicht offiziell verkündet, hatte das aber für die ersten Monate des Jahres in Aussicht gestellt.

Biden, der es aufgrund der republikanischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus in den nächsten Jahren schwer haben dürfte, seine politische Agenda voranzutreiben, zeigte sich kämpferisch. Er erklärte, dass er, wenn möglich, mit Republikanern zusammenarbeiten wolle, doch gleichzeitig machte er deutlich, dass er auch nicht davor zurückschreckt, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen. Unter anderem forderte er die Republikaner dazu auf, die Schuldenobergrenze des Landes ohne Zugeständnisse vonseiten der Regierung anzuheben und den Verkauf von Sturmgewehren zu verbieten.

Die zahlreichen Zwischenrufe von Republikanern meisterte Biden gekonnt. [4][Der 80 Jahre alte Biden] war in Topform und verhandelte während der Ansprache sogar mit Republikanern. Bei den Themen Einwanderungspolitik und Grenzsicherheit hagelte es jedoch heftige Kritik für den Präsidenten. „Lügner“ hallte es aus den republikanischen Reihen, als Biden erklärte, dass sich die Situation an der US-mexikanischen Grenze verbessert habe.

Auch im Anschluss kam erwartbar Kritik. „Es war eine wütende Rede. Es war eine parteiische Rede. Es war eine Rede, die den fehlenden Bezug zu amerikanischen Arbeitern und Arbeiterinnen verdeutlichte und sie veranschaulichte einen Widerwillen, den aktuellen Kurs zu ändern“, sagte der texanische Senator Ted Cruz.

Die offizielle republikanische Antwort kam in diesem Jahr von [5][Sarah Huckabee Sanders]. Bekanntgeworden [6][als Pressesprecherin Donald Trumps], ist sie gerade frisch zur Gouverneurin von Arkansas gewählt worden. Sie bezeichnete Biden als „untauglich“, das Land zu regieren und warnte vor dem radikalen linken Flügel der demokratischen Partei und deren „Woke“-Fantasien.

8 Feb 2023

LINKS

[1] https://www.youtube.com/watch?v=_RV7l2hpD54
[2] https://twitter.com/TrumpWarRoom/status/1623160380540198913?s=20&t=6St0IGXmsjfYae5AjlltAg
[3] /US-Republikaner-Kevin-McCarthy/!5890637
[4] /US-Praesident-Biden-will-zweite-Amtszeit/!5889301
[5] https://www.youtube.com/watch?v=l4QLlXbgUrY
[6] /Sprecherin-des-Weissen-Hauses-geht/!5602965

AUTOREN

Hansjürgen Mai

TAGS

Joe Biden
Kamala Harris
Kevin McCarthy
USA
Donald Trump
US-Kongress
Rede zur Lage der Nation
US-Demokraten
Republikaner
Joe Biden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
USA
Joe Biden

ARTIKEL ZUM THEMA

Joe Bidens Rede zur Nation: Agiler als erwartet

Der US-Präsident wurde für sein hohes Alter oft belächelt. In seiner jüngsten Rede ließ er sich davon nicht beeindrucken und nutzte es gar als Stärke.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski trifft Scholz in Paris

Der Bundeskanzler und der französische Präsident erwarten den ukrainischen Präsidenten am Abend im Elysée-Palast. In London dankte Selenski den Briten.

US-Präsident Biden will zweite Amtszeit: Bitte nicht weitermachen!

Joe Biden denkt laut darüber nach, 2024 erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. Das sollte er besser lassen – er ist einfach zu alt.

Joe Bidens Jahresansprache: Eine Rede zum Vergessen

Die Ansprache an die Nation von US-Präsident Biden war selten uninspirierend. Weder zum Ukraine-Krieg noch auf die Probleme Zuhause hat er Antworten.