taz.de -- Die Wahrheit: Schnüffeln an den Klimaklebern
Wenn ein Chemiker der AfD auf die „Letzte Generation“ trifft, kann es zu spontanen Absonderungen müffelnder Sprache kommen.
Die Aufregung um die „Klimakleber“ der Letzten Generation hat ja wirklich etwas Groteskes. Wobei wir als Sprachliebhaber zunächst festhalten wollen, dass „Klimakleber“, da muss man dem Boulevard glatt dankbar sein, tatsächlich eine hübsche Neuschöpfung ist.
Dass solche moralinen Typen nerven, ist hingegen nicht von der Hand zu weisen. Und dass die Taktik, mit Kartoffelbrei um sich zu werfen und sich auf der Straße festzukleben, strategisch zweifelhaft im Hinblick darauf ist, Unterstützung für das eigene Ziel zu finden, macht die Sache diskussionswürdig. Aber „grüne RAF“? Was sollen denn das für merkwürdige Terroristen sein, die den Staat nur dazu bringen wollen, sich an seine eigenen Verträge und damit an Recht und Ordnung zu halten, nämlich den Pariser Klimavertrag?
Wer hingegen tatsächlich gegen den Staat agitiert, das ist die AfD. Angesichts von bis zu immer noch 15 Prozent Wählerpotenzial für diese Mischung aus Salonnazis, Warmzeitfetischisten und Schulhofschlägern ist es angebracht, auf die eine oder andere ihrer Idiotien kurz hinzuweisen. Einer muss den dreckigen Job halt machen, und diesmal bin ich dran.
Also: Aus mir unerfindlichen Gründen bekomme ich regelmäßig die Pressemitteilungen der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Sie wären ein steter Quell der Erbauung, wenn man Menschen nicht leiden könnte. Einer ihrer Urheber ist der Abgeordnete Dr. Uwe Hellstern, ein promovierter Chemiker. Unlängst zeterte er standesgemäß über die „Laienmeteorologen, die für Klimagerechtigkeit lärmen“; beklagte, dass sich „die Verwirrung der Kinder leider schon tief in die Politik gefressen hat, wo behauptet wird, man könne mit Zufallsenergien wie Wind und Sonne die Stromversorgung sicherstellen“; und forderte, man solle „den ominösen Pariser Vertrag bei erneuter Toilettenpapier-Knappheit dort verwenden, wofür er am besten taugt“.
Dort – wofür? Falsches Präpositionaladverb! Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Deutsche Sprache, schwere Sprache. Vielleicht kann Hellstern ja mal im nächsten Integrationskurs Nachhilfe nehmen. Aber: „Eine fossile Krise gibt es nicht, weil die Länder, welche fossile Energieträger und deren Förderung beibehalten haben, gerade die sind, die am wenigsten von der Krise betroffen sind.“
Eine Krise gibt es also nicht, weil einige Länder am wenigsten von dieser Krise betroffen sind? Wäre es nicht im Sinne aller doch besser, Dr. Uwe Hellstern würde sich mit seiner offenkundigen Großreserve an Pattex auch mal irgendwo auf die Straße kleben, statt an dem Zeug immer nur zu schnüffeln? Oder ist das ein berufsbedingter Schaden?
Also, ich habe früher, in der guten alten Zeit, als Studierender im Chemiekurs noch gelernt, sich nur vorsichtig mit zwei Fingern eine Geruchsprobe jedes Gebräus im Reagenzglas zuzufächern, statt gleich einen vollen Zug zu nehmen. Die Folgen können nämlich wirklich verheerend sein.
9 Dec 2022
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