taz.de -- Russlands Aufkündigung des Getreidedeals: Mit Putin reden nützt nichts

Der Getreidedeal als Türöffner für diplomatische Lösungen? Eine Illusion. Putin ist kein guter Gesprächspartner.
Bild: Der russische Präsident Wladimir Putin

Mit Putin verhandeln – diese Forderung geht seit einigen Wochen wieder um. Die Begründungen dafür ändern sich ständig. Mal ist Russlands Armee in der Ukraine zu stark, mal zu schwach. Mal soll man eine Eskalation abwenden, mal ein Deeskalationssignal aufgreifen.

Was Putin von Verhandlungen hält, hat er an diesem Wochenende bewiesen und das einzige reale Verhandlungsergebnis im Ukrainekrieg aufgekündigt. Am 22. Juli hatten Russland und die Ukraine mit der [1][Türkei und der UNO in Istanbul die „Schwarzmeer-Getreideinitiative“ vereinbart], die die ungehinderte Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte ermöglichte. Es war ein seltener Lichtblick, der Hoffnungen auf weitere Vereinbarungen in konkreten Teilbereichen nährte – und, so die Hoffnung einiger Diplomaten, vielleicht sogar den Boden für Friedensgespräche ebnen könnte. Der nächste Teilbereich zeichnete sich schon ab: der [2][Umgang mit dem russisch besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja].

[3][Aber aus den entsprechenden Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde wurde nicht]s. Und jetzt hat Russland auch die Getreidevereinbarung für ausgesetzt erklärt. Das bleibt zunächst folgenlos: Getreidefrachter sind weiterhin unterwegs, die Kontrollinstanz in Istanbul arbeitet weiter. Die Drohgebärde aus Moskau soll lediglich zeigen: Wir können Vereinbarungen jederzeit aufkündigen.

Klar sollte nun sein: Vertrauen gibt es mit diesen Machthabern in Moskau nicht. Das wusste man eigentlich schon, aber vielleicht verstehen es ja nun auch diejenigen, die „Wir müssen mit Putin reden“ rufen.

Zugleich gilt: Der Getreidedeal steht noch. Ukrainische Schiffe fahren über rumänische, bulgarische, türkische und griechische Gewässer ins Mittelmeer. Was will Moskau da machen? Getreidefrachter versenken? Um dann die Nato zu zwingen, die Wirtschaftszonen ihrer Mitgliedstaaten zu schützen? Nato-Geleitschutz für ukrainische Frachter wäre die logische Antwort auf eine russische Eskalation im Schwarzen Meer. Vielleicht wäre das ja sogar eine Verhandlungsbasis.

31 Oct 2022

LINKS

[1] /Getreideexporte-aus-der-Ukraine/!5872524
[2] /AKW-Saporischschja/!5879392
[3] /Bericht-der-IAEA-zu-Saporischschja/!5880638

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wladimir Putin
Diplomatie
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Experte zu ukrainischen Getreideexporten: „Moskau schafft künstlich Probleme“

Der Getreidekorridor läuft nicht so effizient, wie er sollte, sagt Wirtschaftsexperte Dmytro Barinov. Einige Schiffe warteten seit Monaten auf Ausfuhr.

Russischer Abzug aus Cherson: Suche nach nächster Niederlage

Nach Cherson will die Ukraine weitere Gebiete befreien. In westlichen Kreisen werden Ideen für Russlands Kapitulation durchgespielt.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: USA fürchten möglichen Atomwaffeneinsatz

Das Getreideabkommen ist wieder eingesetzt. Kiew wurde in der Nacht erneut beschossen. Sicherheitsrat stimmt über die russische Biowaffen-Behauptung ab.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kiew fordert G20-Gipfel ohne Russland

Die Ukraine will nicht, dass Russland am Gipfel in Bali teilnimmt. Die Bundesregierung fordert, Serbien müsse sich zwischen der EU und Russland entscheiden.

Putins Aussetzen der Getreidetransporte: Nicht auf dem Rücken der Ärmsten

Die Forderung, nicht mit Moskau zu verhandeln, ist mehr als verständlich. Doch den Preis für den ausbleibenden Getreideexport zahlt nicht nur Kiew.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Getreide-Deal ausgesetzt

Nach Angriff gegen die Schwarzmeerflotte blockiert Moskau das vereinbarte Getreidelieferabkommen mit der Ukraine. Der Frachtschiffverkehr wurde gestoppt.

+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Ende der Getreideblockade

Die Ukraine und Russland haben – getrennt voneinander – den Getreideexport aus der Ukraine unterzeichnet. Olaf Scholz will Bürger weiter entlasten.