taz.de -- Neue Europäische Politische Gemeinschaft: Gründung mit Fragezeichen
Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz wollen die EU in einem neuen Format stärken. Das geht nur, wenn es gemeinsame Ziele gibt.
Gibt man in eine bekannte Suchmaschine den Begriff „Europäische Politische Gemeinschaft“ ein, so erscheint als erstes Suchergebnis „Gescheitertes Projekt zur Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit“. Die Idee ist also nicht neu, und sie kann scheitern. Ob die nun neu gegründeten Gemeinschaft ein ähnliches Schicksal wie das 70 Jahre zuvor angestoßene Vorläuferprojekt ereilt, wird davon abhängen, wie und ob sich die Europäische Union weiterentwickelt.
Ideen zur Zukunft der EU kommen seit einigen Jahren vor allem aus Frankreich und von Emmanuel Macron. [1][Der schlug schon in seiner Sorbonne-Rede vor fünf Jahren] ein Europa der zwei Geschwindigkeiten vor: ein Kerneuropa der EU-Mitglieder und ein Großeuropa von Partnern und Freunden. Das war auch eine Absage an weitere Erweiterungsrunden, konkret an die Westbalkanstaaten, die seit einem Jahrzehnt im Kandidatenstatus verharren. Aus Deutschland, sprich: von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel, kam damals: keine Antwort.
Dass Macron die Idee nun erneut in den Raum geworfen hat und Kanzler Scholz sie unterstützt, hat natürlich mit der veränderten geopolitischen Lage zu tun. Der russische Angriff auf die Ukraine schweißt viele Länder zusammen, die sonst Konflikte haben. Griechenland und die Türkei etwa, oder auch Großbritannien und die EU-Staaten. Das sie alle im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft nun zusammenkommen, um miteinander zu reden ist erst mal ein gutes Zeichen. Reden ist immer gut.
Eine Zukunft wird das neue Gesprächsformat aber nur haben, wenn [2][es nicht nur einen gemeinsamen Gegner – in diesem Fall Putin –,] sondern auch gemeinsame Ziele gibt. Zumal mit Aserbaidschan auch ein Land dabei ist, dass weder besonders demokratisch noch besonders friedlich ist.
Die Europäische Politische Gemeinschaft darf kein nett eingerichtetes Wartezimmer für die Westbalkanstaaten werden, in dem diese bis in alle Ewigkeit auf Beitrittsverhandlungen warten. Sonst sind sie vermutlich die ersten, die diese Gemeinschaft wieder verlassen.
7 Oct 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die politische Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland steckt in einer Krise. Es muss darum gehen, inhaltliche Unterschiede offen auszusprechen.
Deutschland blockiert einen europäischen Gaspreisdeckel. Beim Treffen der EU-Chef:innen gibt es aber einen Kompromissvorschlag.
Die halbe deutsche Regierung reist zu Gesprächen nach Spanien. Im Fokus stehen Energie und Sicherheit – aber auch das Klima.
Frankreichs Noch-Präsident Emmanuel Macron zeigt sich in Straßburg als Kämpfer für Europa. Vor der Stichwahl muss er jetzt endlich Wahlkampf machen.
Die beiden Regierungschefs fordern Putin zu einem Waffenstillstand auf. Joe Biden hat weitere 200 Millionen US-Dollar Militärhilfe für die Ukraine bewilligt.