taz.de -- Zum Tod von Christian Ströbele: Ohne Christian keine taz
Für viele tazzlerinnen und tazzler war Christian Ströbele als Mitgründer der Zeitung Vorbild, für einige Übervater. Wir trauern um ihn.
Berlin taz | Christian Ströbele ist tot. Dieser kurze Satz umfasst eine ganze Welt. Für uns. Für die taz. Wir trauern heute um ihn.
Mit Christian geht eine stolze Geschichte von Idealismus, Widerstandsgeist und Integrität, [1][er verkörperte die Geschichte von der Gründung der Grünen und der Gründung dieser Zeitung]. Ohne Christian keine taz. So einfach ist das. So schien es. Von 1978 bis heute.
Auf dem Tunix-Kongress diskutierte er die Gründung einer undogmatischen, radikalen und linken Tageszeitung. Täglich eine solche Zeitung, das war seine Hoffnung in der bleiernen Zeit. Er war so etwas wie der Urvater der taz. Zuletzt war sie ihm oft nicht mehr radikal genug, seine taz. Wir messen uns an diesem Urteil, auch wenn Christian uns das oft nicht so recht geglaubt hat. Aber so ging es ja auch Generationen vor uns. Noch zur Grundsteinlegung für das neue Haus gab er der taz auf seine Art wieder seinen Segen: „Ich wünsche mir ganz vermessen, dass die taz eine linke – und, ja, auch radikale – Zeitung bleibt.“ Viele tazzler:innen von heute kennen Christian Ströbele nur aus der Ferne. Doch die taz war immer, von Generation zu Generation, stolz auf diesen Paten, für viele Vorbild, für manche Kompass, für einige Übervater.
Jede taz-Generation hat ihn interviewt, er hatte ja auch immer etwas zu sagen. In seinen Themen waren sein Gedächtnis unschlagbar, sein Detailwissen beängstigend, seine juristische Einordnung präzise. Ein tazzler hat die bisher einzige Biografie über ihn geschrieben. Nach dem Erscheinen von Stefan Reineckes Buch nahm Christian sich vor, selbst eine Biografie zu schreiben – er wolle schreiben, „wie es wirklich war“. Es ist nicht dazu gekommen.
Wir führen die Debatte weiter
Im ersten Stock im neuen taz-Haus an der Friedrichstraße hängt ein fast lebensgroßes Porträt von Christian. Auf dem Weg zu den Tischen der Genossenschaft und der Panter Stiftung kommt man an diesem Gemälde vorbei. Das ist der richtige Ort. Ohne ihn hätte es vielleicht gar keine Genossenschaft gegeben. Heute ist sie die Basis der taz. In der Stiftung hat Christian [2][seine politischen Debatten und seinen Einsatz für kritischen, für linken – gerne radikalen – Journalismus] fortgeführt.
In den kommenden Tagen und Wochen werden wohl viele von uns immer wieder zu diesem Christian im ersten Stock pilgern und innere Zwiesprache halten. Christians Vermächtnis ist uns Ansporn, dass es die taz und diesen Journalismus, für den er stritt, auch in Zukunft gibt.
Lieber Christian, verlass dich drauf: Wir führen die Debatte weiter.
Katrin Gottschalk, Barbara Junge und Ulrike Winkelmann (Chefredaktion) sowie Aline Lüllmann und Andreas Marggraf (Geschäfsführung)
1 Sep 2022
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