taz.de -- Ukrainische Offensive: Potemkinsche Waffen gegen Russland
Die ukrainische Offensive schreitet voran, dabei zeitigen offenbar auch Holzattrappen Erfolge. Kommunalpolitiker warnen vor Eskalation.
Berlin taz | Die ostukrainische Millionenstadt Charkiw ist am Dienstag erneut Ziel schwerer russischer Angriffe geworden. Dabei seien nach Angaben des Charkiwer Bürgermeisters, Igor Terechow, und des Leiters der Militär-Gebietsverwaltung, Oleg Sinegugobow, die das ukrainische Webportal Ukrainska Pravda zitiert, mindestens fünf Menschen getötet und sieben verletzt worden.
Bei dem Beschuss mit Artillerie – Ziel sei auch ein Erholungsgebiet gewesen – sei auch ein mehrstöckiges Wohnhaus im Zentrum Charkiws in Brand geraten, sagte Terechow. Bei erneuten Angriffen am Dienstagnachmittag wurde ein weiteres Wohngebäude getroffen.
Unterdessen setzten [1][ukrainische Truppen ihre Offensive], die sie am Montag in der Südukraine gestartet hatten, fort. Laut der ukrainischen Nachrichtenseite focus.ua berichteten Bewohner*innen der von russischen Truppen besetzten Region Cherson von schwerem Beschuss sowie mehreren Explosionen. Dabei soll auch die [2][Antoniwkabrücke erneut getroffen] worden sein, die über den Fluss Dnepr im Gebiet Cherson führt.
Auf mehreren Videos sind Rauchschwaden zu sehen, die über und neben der Brücke aufsteigen. Das könnte darauf hindeuten, dass auch eine Pontonbrücke beschädigt wurde, die russische Truppen erst vor wenigen Tagen gebaut hatten, um ihre Nachschubwege sicherzustellen.
Angst vor Putins Atomwaffen
Der Lokaljournalist Konstantin Ryschenko, der aus dem nicht-besetzten Gebiet berichtet, postete ein Video von einem zerstörten Gebäude, in dem sich seiner Meinung nach ein Stützpunkt der russischen Armee befunden haben könnte.
Auch aus der südukrainischen Stadt Mykolajiw wurde erneuter Beschuss gemeldet. Dabei soll es einen Toten sowie einen Verletzten gegeben haben, wie die Ukrainska Pravda berichtete. Im Gebiet Odessa schoss die ukrainische Luftabwehr eine Aufklärungsdrohne ab, wie der Pressesprecher des Chefs der militärischen Gebietsverwaltung, Serhij Bratschuk, auf seinem Telegram-Kanal mitteilte.
Der Bürgermeister von Odessa, Gennadi Truchanow, rief dazu auf, mit dem Kreml einen Kompromiss zu suchen, um eine Eskalation des Krieges zu vermeiden. Derzeit denke Russlands Präsident Wladimir Putin nicht wie ein pragmatischer Politiker, sondern wie ein Monster, ein Produkt des Sowjetregimes und des KGB, das entschlossen sei, das russische Imperium wiederherzustellen.
Es sei militärisch gefährlich, Putin in die Enge zu treiben, da er den Befehl zum Einsatz von Atomwaffen geben könnte, sagte Truchanow der [3][italienischen Zeitung Corriere della Sera].
Kuriose Ablenkungsmanöver
Laut einem [4][Bericht der Washington Post] setzt das ukrainische Militär bei seinem Kampf gegen die russischen Truppen zu Täuschungszwecken Waffenattrappen aus Holz ein. Diese sähen modernen US-Waffensystemen zum Verwechseln ähnlich.
Russische Drohnen, die den Standort der vermeintlichen Raketensysteme vom Typ HIMARS an die Flotte im Schwarzen Meer übermittelten, könnten die Attrappen nicht von echten Artilleriebatterien unterscheiden.
Das Manöver der besonderen Art zeitigt offensichtlich erste Erfolge. Demnach hätten innerhalb mehrerer Wochen mindestens zehn Kalibr-Marschflugkörper der russischen Armee fehlgeleitet werden können, heißt es unter Berufung auf hochrangige Beamte aus den USA und der Ukraine, die anonym bleiben wollen. Angesichts dieser positiven Bilanz sei die Produktion der Attrappen ausgeweitet worden.
30 Aug 2022
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