taz.de -- Liga-Lieblinge aus Freiburg und Berlin: Spektakel der Modernen

Der 1. FC Union Berlin und der SC Freiburg erwischen erneut glänzende Saisonstarts. Auch, weil sie sich nicht nur über Erfolg erzählen.
Bild: Effizient und klug: Spieler von Union Berlin bejubeln eines ihrer sechs Tore auf Schalke

Vielleicht ist es bezeichnend, dass die beiden Lieblinge der Liga, diese im besseren Sinne modernen Fußballunternehmen, an diesem Spieltag auch für die beste Unterhaltung sorgten. Spektakuläre 43 Torschüsse gaben vor allem Freiburg und ein wenig Bochum im Regenduell ab, das der SC mit 1:0 gewann. Und Union Berlin zerlegte Schalke rauschhaft mit 6:1, ja, wäre um ein Haar an die Tabellenspitze gesprungen. Beide, Freiburg und Union, feiern den erfolgreichsten Saisonstart ihrer Geschichte als Zweiter und Dritter der Männerbundesliga.

Das ist folgerichtig. Es gab einmal eine Zeit, da tippte Heribert Bruchhagen medienwirksam die Ligatabelle nach Klubbudget. Und meist bewahrheitete sich seine Vorhersage. In Zeiten immer unsinnigerer Budgets und statistisch immer höherer Siege einzelner Großkapitalisten ist der nationale Wettbewerb jenseits der uneinholbaren Top 3 aber erstaunlicherweise nicht erwartbarer, sondern weniger abhängig von Kaderkosten. Ginge es nach Budget, dürften schließlich weder Freiburg (9.) und noch viel weniger Union (14.) dieses Jahr Europapokalteilnehmer sein.

Schon klar, es gibt dort die vielzitierte Personalkonstanz, mit einem jeweils hervorragenden Trainer, [1][kreativer Kaderzusammenstellung, guten Strukturen.] Vor allem aber sind beide Klubs moderne Unternehmen. Solche nämlich, deren Geschichte zumindest teilweise unabhängig von Toren und Punkten funktioniert. Der sportliche Erfolg kommt nicht trotzdem, sondern deswegen. Sie sind wirtschaftlich extrem effizient, weil sie weniger spekulativ Geld verpulvern müssen, um die Liebe ihrer Fans zu halten.

Was veraltete Unternehmen sind, zeigen seit Jahren die beiden selbst ernannten Bayernjäger Dortmund und Leipzig. Zum x-ten Mal in Folge hat der BVB in einen vermeintlichen Meisterkader investiert, allein fast 100 Millionen auf dem Transfermarkt; bisher spielt das Team gewohnt ineffizient. [2][Auch Leipzig] blieb trotz Sieges gegen Wolfsburg wenig überzeugend und ist offenbar hinreichend mit dem hausinternen Machtkampf zwischen Mintzlaff und Tedesco beschäftigt.

Zwei Klubs wie Netflix; irgendwann mal innovativ, jetzt so verzweifelt erfolgsfixiert, dass sie nicht mehr in der Lage sind, interessante Impulse zu setzen. [3][Gar nicht zu reden von Wolfsburg], wo Jahr für Jahr atemberaubende Budgets in den Sand gesetzt werden. Plötzlich gilt: Gute Arbeit lohnt sich wirklich. Allerdings überflügelt man Gegner mit doppeltem Budget auch leichter auf dem Niveau rund um Platz 5 als beim Titel.

28 Aug 2022

LINKS

[1] /Manager-Ruhnert-ueber-den-1-FC-Union/!5856038
[2] /Zeit-der-Wiederkunft-in-der-Bundesliga/!5871531
[3] /VfL-Wolfsburg-Manager-Joerg-Schmadtke/!5618427

AUTOREN

Alina Schwermer

TAGS

Kolumne Press-Schlag
Union Berlin
SC Freiburg
FC Union
FC Bayern München
Fußball-Bundesliga
Kolumne Press-Schlag
Fußball

ARTIKEL ZUM THEMA

Höhenflug von Union Berlin: Gegenmodell zum Großkotz Hertha

Dass Union Berlin jetzt Europa League spielt, ist eine Sensation. Die Fußballfolklore der Underdogs erzählt einiges über vernünftiges Wirtschaften.

Es kriselt beim FC Bayern: Ausgleich der Gerechtigkeit

… und der Herbst ihres Missvergnügens: Die Bayern schlingern wie jahreszeitüblich durch die Liga.

Manager Ruhnert über den 1. FC Union: „Ich habe null Abstiegsangst“

Der Manager des 1. FC Union ist auch Linkspolitiker im Sauerland. Bei den einen geht's rauf, bei den anderen runter. Wie schafft Oliver Ruhnert den Spagat?

Deutsche Meister werden nur BVB und FCB: Klein, aber nicht arm dran

Der SC Freiburg oder Union Berlin haben hervorragende Strukturen. Die wahren Underdogs sind ehemalige Großvereine.

Freiburger Stadioneröffnung: Den Standards entsprechend

Bei der Premiere im neuen Stadion trennen sich der SC Freiburg und RB Leipzig in einem intensiven Spiel mit 1:1. Der SC bestätigt seine Tendenz.