taz.de -- EM-Fans und der Zugstreik: Mit öffentlichem Bus ins Stadion

Internationale Fans, die zur EM nach England reisen, haben etwas zu erzählen. Erst recht, wenn sie auf den Bus warten müssen.
Bild: Besuchergruppe aus Deutschland, die den öffentlichen Nahverkehr genutzt hat

Vor gut 50 Jahren wurde Milton Keynes erbaut, um das übervölkerte London zu entlasten. An diesem Mittwoch an der Victoria Station in London sind Menschen aus ganz anderen Motiven entschlossen, London in diese Richtung zu verlassen. Der Fußball treibt uns weg. Und zum ersten Mal bei diesem Turnier erlebe ich so etwas wie eine [1][Fanbewegung] für den Fußball der Frauen.

Es ist wirklich ein buntes internationales Grüppchen. Ins Auge springt mir erst einmal ein vielleicht 60-jähriger Mann, der ein weißes T-Shirt mit Bayern-Emblem und Champions-League-Pokal trägt. Eine Reminiszenz an den Gewinn der wertvollsten europäischen Männertrophäe 2001. „Die Helden Europas“ steht drauf. Das Hemd ist nicht mehr das jüngste.

Der stark zum Dialekt neigende Anhänger aus der weiteren Umgebung Münchens klagt über einen Engländer, der zu schnell mit ihm über das deutsche Team rede. Dass ich auch ihn nur mit Mühe verstehe, sage ich ihm nicht. Der Schnellredner wiederum scheint äußerst beschlagen zu sein. Von der deutschen Spielerin Sara Däbritz, über den USA-Fußball bis hin zu den Entwicklungen in Saudi-Arabien hat er scheinbar zu allem etwas zu sagen. Und das will der etwas wunderliche Mann auch alle wissen lassen.

Zwei Schweizerinnen, die auch zum Halbfinale wollen, amüsieren sich prächtig über ihn. Die Amerikanerin, die sich schon viel von ihm über den Fußball in ihrem Land anhören musste, genießt mittlerweile ihre Ruhe. Unter den Deutschen sind die fußballreisenden Männer in der Überzahl. Der Bayern-Fan erzählt, seit der WM 2011 verfolge er die Frauenturniere immer. Zum Viertel- und Halbfinale ist er eingeflogen. Ein bislang noch eher ungewöhnliches Engagement. Im Alltag allerdings, erzählt er, ginge er nur zu den Spielen der Männer des FC Bayern. Beides wäre dann doch zu viel.

Auch im Bus wird viel über Fußball gesprochen. Die Atmosphäre gleicht eher der Reisegruppe zu einer Fachmesse, denn zu einem Fußballspiel. Normalerweise wären die meisten vermutlich im Zug angereist, doch hier ist der größte [2][Bahnstreik] seit 30 Jahren im Gange.

In Milton Keynes, dieser Stadt, die in den 1960er-Jahren am Reißbrett mit Lineal und vor allem Zirkel (viel Kreisverkehr!) geplant wurde, ist man mit dem Bahnstreik und den Fußballfans ein wenig überfordert. Der Weg zum Stadion ist beschwerlich. Bereut hat ihn gewiss keiner der Anreisenden.

28 Jul 2022

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AUTOREN

Johannes Kopp

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