taz.de -- Die Kunst der Woche für Berlin: Blatt und Stock

Ein Doge in Venedig, eine Bretonische Hochzeit: Die neue Reihe im Kupferstichkabinett stellt künstlerische Drucktechniken vor. 1400 fängt alles an.
Bild: Die Katze, Holzschnitt (Ausschnitt), Neudruck vom Stock des 15. Jahrhunderts

Wer im April die Ausstellung von Gert & Uwe Tobias bei Contemporary Fine Arts besucht hat, der wird an der Sommerausstellung des [1][Kupferstichkabinetts] seine Freude haben – auch wenn sie nicht länger launig orakelt „Wir kommen auf den Hund“ oder „Wir suchen das Weite“. Jetzt heißt es ganz sachlich „Holzschnitt. 1400 bis heute“ und markiert den Auftakt zu einer neuen Ausstellungsreihe, die jeweils eine künstlerische Drucktechnik vorstellt.

Klar, dass mit dem ältesten druckgrafischen Verfahren begonnen wird, dem Holzschnitt, der um 1400 im süddeutschen Raum aufkam, wo auch die ersten Papiermühlen standen. Nun war es plötzlich möglich bei vergleichsweise geringem Aufwand hohe Auflagen von mehreren tausend Blatt zu erreichen.

Schnell wird der Holzschnitt daher auch für profane Bildbedürfnisse eingesetzt. Wenigstens so viele Spielkarten wie Heiligenbildchen wurden gedruckt, wobei letztere so heftig geküsst und gedrückt wurden, dass sie kaum mehr existieren.

Es kann jetzt in Farbe und großformatig gedruckt werden. Wie die 1550 entstandene Ansicht von Venedig anlässlich einer Prozession des Dogen. 14 Druckstöcke brauchte es für die Szene nach Tizian, auf der besonders die drei Frauen beim Shoppen bestechen.

Großartig sind sonst der 1977 entstandene abstrakte Holzschnitt von Helen Frankenthaler, Francesco Clementes schlichtes Selbstbildnis von 1984 mit 14 Farben von 22 Druckstöcken, Carl Mosers Bretonische Hochzeit von 1904 auf Japanpapier.

Dieses Papier und wässrige Farben sind eine Errungenschaft der europäischen Begeisterung für Japan während der Wende zum 20. Jahrhundert, die dem Holzschnitt in Europa noch einmal großen Auftrieb gab.

Moser ist das beste Beispiel und die raren Holzschnitte von ihm sind heute gesucht und teuer. Die summarische Aufzählung von Highlights soll nicht heißen, dass nicht jedes vorgestellte Blatt unter den 100 ausgesuchten eigentlich ein Highlight ist. Doch der Tipp wäre keiner, wäre er nicht kurz und bündig: Also hinein ins Sommervergnügen am Kulturforum.

13 Jun 2022

LINKS

[1] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/kupferstichkabinett/besuch-planen/adresse/

AUTOREN

Brigitte Werneburg

TAGS

taz Plan
Kunst Berlin
Papier
Kulturforum
Druckkunst
Schwerpunkt Coronavirus
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
Kunst Berlin
Kunst Berlin
taz Plan

ARTIKEL ZUM THEMA

Venedig nach der Pandemie: Hoffen auf die digitalen Nomaden

Venedig ist heute fast so voll wie vor der Pandemie. Der Tourismus boomt, die Bevölkerung schrumpft und altert. Ein Ökonom will gegensteuern.

Die Kunst der Woche: In Zeiten der globalen Wildfeuer

Lucia Kempkes schlägt weiße Schneisen in die Berge. Georg Thumbach zeichnet im Dickicht des Waldes. Und Thomas Fischer lädt zur Summer Show.

Die Kunst der Woche für Berlin: Engel der Geschichte

Aura Rosenbergs Fotografien weisen in den Abgrund der Gegenwart. Auch bei Juergen Teller geht es um die Biografie und eine gemeinsame Zukunft.

Die Kunst der Woche für Berlin: Die Bilder nach außen

„Spheres of Interest*“ liest Werke aus dem ifa-Bestand neu und fragt, wie Deutschland im Ausland erzählt wird. Die Künstlerin Lizza May David im Einblick.

Die Kunst der Woche für Berlin: Schulen, die Brücken sind

In den Werkstätten der Jugendkunstschule FRI-X BERG erarbeiten sich Schüler:innen künstlerische Freiräume. Zu sehen im Projektraum Alte Feuerwache.

Kunst im Einkaufszentrum: Die andere Skyline

Das Konzept Kunst als Zwischennutzung zieht in Berliner Malls ein. Das Ringcenter zeigt dabei noch ganz andere Räume: Prototypen eines neuen Wohnens.

Ausstellung bei Eden Eden: Wilder, unkorrekter Motivmix

Drastisch und von düsterem Humor ist die Ausstellung im Eden Eden mit elf feministischen Künstlerinnen der letzten 50 Jahre.

Die Kunst der Woche für Berlin: Dreh- und Angelpunkt der Malerei

El Hadji Sy ist performativer Maler und räumlicher Freidenker. Seine erste Einzelaustellung bei Barbara Thumm folgt einer großartigen Choreografie.