taz.de -- Trainerentlassungen in der Bundesliga: Erfolgreich gescheitert

Wie kann es sein, dass ein Absteiger alles richtig gemacht hat? Ein kleines Lehrstück aus der Welt der Rauswürfe.
Bild: Zweifelhafter Erfolg: Marco Rose ist bester entlassener Trainer der Saison

Was hat Stefan Leitl, was Marco Rose nicht hat? Punkte sind es nicht, denn die von Leitl in die zweite Liga geführte SpVgg Greuther Fürth findet sich mit 18 Punkten auf Platz 18 [1][der zu Ende gegangenen Fußballbundesliga]. Rose hingegen landete mit der von ihm betreuten Dortmunder Borussia mit 69 Punkten als Vizemeister.

Rose führt eine besondere Tabelle an: bester der entlassenen Fußballlehrer. Eine Führung mit großem Vorsprung ist das, denn ihm folgt erst Sebastian Hoeneß, der die TSG Hoffenheim auf Platz 9 führte. In der Liste der Trainer, mit deren Arbeit die Vereinsführungen wohl zufrieden waren, finden sich andere Namen. Nicht nur Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco und Gerardo Seoane, die ihre Bayern, Bullen und Bayers zum jeweiligen Saisonziel geführt haben oder es zumindest halbwegs gerettet haben.

Außer Konkurrenz der Zufriedenen ist Oliver Glasner, der Eintracht Frankfurt in einer durchwachsenen Bundesligasaison nur auf Platz 11 führte (Vorjahr: Platz 5), [2][aber der Europapokalsieg übertüncht alles]. Und selbst wenn man bei der Eintracht nicht mit Glasner zufrieden wäre, dürfte er weiterarbeiten: Eine Trainerentlassung muss ja immer halbwegs plausibel sein, sonst wackelt der Vorstand.

Bei denen, mit denen man zufrieden ist, finden sich auch Saisonzielüberfüller wie Urs Fischer, Christian Streich, Steffen Baumgart oder Thomas Reis. Oder sogar Pellegrino Matarazzo. Denen ist gelungen, was niemand so recht von ihnen erwarten konnte: dreimal Europa und einmal frühzeitiger Klassenerhalt. Im Falle von Stuttgart und Matarazzo war es der Gerade-so-Nicht-Abstieg, was manchmal auch eine Leistung ist. Doch niemand wird sich zu prognostizieren trauen, dass diesen Trainern das in der Saison 2022/23 wieder gelingen wird.

Experiment Fürth

Und schon lässt sich der Unterschied zwischen Stefan Leitl und Marco Rose etwas besser verstehen. Was war das Saisonziel der SpVgg Greuther Fürth? Und was das von Borussia Dortmund? Die Fürther wussten, dass es im Grunde unmöglich ist, in der Liga zu bleiben. Es war für Spieler, Trainerteam und Management ein Experiment, man kann auch sagen: eine Fortbildung.

Sollte die SpVgg es in einem oder zwei Jahren wieder schaffen, in die erste Liga aufzusteigen, wissen alle, wo sie dran sind, welche Anforderungen auf sie warten, welche Fehler sie nicht wiederholen. Das dürfte sogar für die Fans gelten. So absurd es klingen mag: Der sofortige Abstieg widerspricht dem Saisonziel der SpVgg Greuther Fürth nicht.

Wie aber hat man sich eigentlich in Dortmund die Saison vorgestellt, als Marco Rose geholt wurde? Ist jede Platzierung außer Platz eins ein Desaster? Hatten Pokal und Champions League höhere Bedeutung als die Liga? So große, dass Vizemeister nichts zählt?

Der Unterschied dürften so schwierig zu bemessene Faktoren wie Zeit und Vertrauen sein: Stefan Leitl ist als Trainer einem wie Christian Streich oder Bo Svensson näher, als der Tabellenplatz ausdrückt. Streich und Svensson können damit rechnen, dass sie auch im Falle eines Abstiegs weiter für ihre aktuellen Vereine arbeiten könnten. Streich hat das 2015 ja sogar schon erlebt.

Die Managements wissen, dass Trainer Zeit brauchen, um Teams zu entwickeln. Sie wissen, dass ein Team auch Misserfolge haben und verarbeiten muss, um Fehler nicht zu wiederholen. Sie wissen auch, dass eine allzu schnelle Trainerentlassung bei der Mannschaft nicht dazu führt, an eigenen Fehlern zu arbeiten – schließlich lautet ja die Botschaft, dass bloß der Trainer schuld war.

Was also ist der Unterschied zwischen der SpVgg Greuther Fürth und Borussia Dortmund? Der Absteiger scheint alles richtig zu machen, beim Vizemeister weiß das niemand so genau.

27 May 2022

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AUTOREN

Martin Krauss

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