taz.de -- Zukunft des PEN: Literatur morgen
Auf das Ende von PEN folgt die Gründung des ZEN-Zentrums. Dort versammelt sich das Who’s who geistiger Bodensatzbereiter einer neuen Rechten.
Wir schreiben das Jahr 2035. Seit vor 13 Jahren [1][das deutsche PEN-Zentrum] unter großem Knall auseinanderflog, existieren die Verbandsstrukturen der deutschen Dichter-, Deuter- und Denkerszene in unzähligen Splittergruppen mit ebenso vielen Literaturgegenpäpsten und Gegenliteraturpäpsten weiter: Die „Literarische Volksfront“, die „Volksfront Literatur“, „Curry 36“ und die „Lyrischen Flieger“, um nur die wenigsten zu nennen.
Der Gründer und Vorsitzende Hanno Bartsiegel sieht jedoch sein neues ZEN-Zentrum („Zuschauen, Entspannen, Nachdenken“) als einzig legitime Nachfolgeorganisation der einst so ruhmreichen PENnäler. Der 110-jährige ehemalige Gymnasiallehrer für Deutsch, Latein und Geschichte, aber gegen „Gender-Gaga“, „Entnazifierungs-Nana“ und „Schuld-Schischi“, hat bereits hundert Bücher selbst geschrieben, kopiert, geheftet und verlegt.
„Gott hat mit der Bibel nur ein einziges Buch geschaffen“, bemerkt er nicht ohne exorbitanten Stolz. „Und da waren dann auch noch jede Menge Geistschreiber beteiligt.“ Dieser Satz macht zweierlei klar: Gott hätte es schwer, Bürgen für seine Aufnahme in Bartsiegels Altarierklitsche zu finden, und von nun an soll wieder allein das gute deutsche Wort zählen.
Im ZEN versammelt sich sogar mehr noch als zuvor im PEN das Who’s who geistiger Bodensatzbereiter einer neuen Rechten und zugleich die exquisiteste Auslese von edlen Weihnachtsgänsefüßchen, die die Welt je sah: „kritische“ „Ostintellektuelle“, „gecancelte“ „Westprofessoren“, „traditionalistische“ „Mutterkreuzlerinnen“, anstelle von Clowns, „Ausländern“ (alle, die '89 nicht auf der Straße gewesen waren, und sei es wenigstens zum Gucken) und ausländischen Clowns, die den tintenblaublütigen Verein damals zu überschwemmen drohten wie ein Gü(l)le-Tsunami die liebliche Küste von Atlantis ob der Tauber.
Nun ist man endlich wieder unter sich. Und während bei der queeren Konkurrenz von der Literarischen Volksfront im Akkord Gendersterne geschmiedet werden, drechselt man im ZEN-Zentrum Verse von archaischer Schönheit, denkt weise, spricht wohl.
Mein Futurologe Zbigniew analysiert: „Schriftsteller geringschätzen die Vergangenheit, verachten die Gegenwart, und hassen die Zukunft.“ Das ist in der Tat seit jeher jeder wie auch immer gearteten literarischen Bearbeitung des Themas Zukunft anzumerken, egal ob Utopie, Dystopie oder Sci-Fi: Was in der Vergangenheit schon scheiße war, wird dort in der Zukunft durch die Bank noch schlimmer. Das dürfte allerdings realistischer sein, als die Autorinnen sich je gedacht hätten.
30 May 2022
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