taz.de -- Kriminalität in Berlin: Zahl der Straftaten rückläufig

Die Polizei registrierte 2021 so wenige Delikte wie nie seit der Wende. Ein Grund sei die Pandemie. Mehr antisemitische Straftaten angezeigt.
Bild: Dieses Fahrrad wurde nur halb geklaut, was aber auch eine Straftat ist

Berlin afp/dpa |Die Kriminalität hat sich in Berlin im vergangenen Jahr rückläufig entwickelt. Im Vergleich zum Vorjahr wurden in der Hauptstadt 4,4 Prozent weniger Straftaten registriert, wie die Senatsverwaltung für Inneres am Freitag bei der [1][Vorstellung der Kriminalitätsstatistiken] für das Jahr 2021 mitteilte. Insgesamt erfassten die Ermittler 482.127 Straftaten.

Damit ging auch die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner auf 13.158 zurück – ein neuer Tiefstwert seit der Wiedervereinigung. Die Aufklärungsquote sank von 46,1 Prozent auf 45,3 Prozent, lag aber dennoch auf dem zweithöchsten Wert der vergangenen zehn Jahre.

Im Zuge der Corona-Pandemie stiegen die Fallzahlen 2021 vor allem im Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte mit einem Plus von 6,3 Prozent. Grund dafür waren insbesondere [2][Impfpassfälschungen]. Der Gebrauch von unrichtigen Gesundheitszeugnissen habe sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht, hieß es.

Auch bei den Corona-Soforthilfen wurde betrogen. Bis Ende Februar 2022 wurden insgesamt 9.139 Verfahren geführt – der Gesamtschaden betrug rund 123 Millionen Euro. Die Bearbeitung von etwa 9.100 weiteren Verdachtsfällen stehe noch aus.

Diebstähle gingen insgesamt um 9,8 Prozent zurück. In Wohnungen wurde 29,5 Prozent weniger eingebrochen als 2020. Weniger Fälle gab es auch in den Bereichen der Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen und Kindesmisshandlungen.

Die Fallzahl im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern stieg allerdings um 10,6 Prozent. Im Bereich Mord und Totschlag wurden 100 Fälle erfasst. Die Aufklärungsquote lag bei 96 Prozent – ein Zehnjahresbestwert.

„Es ist grundsätzlich ein positives Signal, dass die Zahl der Straftaten zurückgegangen ist“, erklärte Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Die Statistiken seien ein Ansporn, noch besser zu werden.

Weniger Einbrüche während Corona

Bei einzelnen Phänomenen, etwa bei Diebstählen und Einbrüchen, habe die Corona-Pandemie zu einem Rückgang der Fallzahlen geführt, ergänzte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Dennoch sei die Berliner Polizei „in erheblichem Maße gefordert“.

Einen Rückgang verzeichneten die Ermittler auch im Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Die Zahl sank um 4,9 Prozent auf 5.799 Fälle. Aufgeklärt werden konnten 39,2 Prozent der Fälle. Eine Steigerung war vor allem bei den politisch motivierten Gewalttaten zu erkennen. Die Zahl wuchs um 13,8 Prozent auf 1.037 Fälle an.

422 der Fälle hatten eine antisemitische Motivation, ein Zuwachs um 14,7 Prozent. Davon war [3][in 282 Fällen eine rechtsgerichtete Motivation] feststellbar. Dennoch sank die Zahl politisch motivierter Straftaten von rechts um 20,4 Prozent. Bei den politischen Straftaten von links ging sie um 29,8 Prozent zurück.

In der Kriminalstatistik sind nur die registrierten Verbrechen erfasst. Taten wie Morde, Überfälle, Einbrüche und Autodiebstähle werden zu einem sehr großen Teil statistisch aufgelistet, weil Opfer sich fast alle bei der Polizei melden. Die meisten Drogendelikte, Ladendiebstähle und Beleidigungen werden aber nicht erfasst. Auch Körperverletzungen, sexuelle Belästigungen und sexueller Missbrauch von Kindern werden oft nicht aufgedeckt – weshalb von einer Dunkelziffer in der Statistik auszugehen ist. Daher ist die Aussagekraft von Kriminalstatistiken nur in bestimmten Bereichen aussagekräftig.

22 Apr 2022

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