taz.de -- Neues EU-Sanktionspaket gegen Moskau: Uneins beim Ölembargo

Die EU-Kommission will den Importstopp für russisches Öl durchsetzen. Doch Ungarn und die Slowakei drohen mit einem Veto.
Bild: Ursula von der Leyen: Sie will den Importstopp für die gesamte EU durchzusetzen

Brüssel taz | Die EU dreht weiter an der Sanktionsschraube. Die EU-Kommission legte am Mittwoch in Straßburg einen Entwurf für das sechste Sanktionspaket vor, mit dem sie Russland für den Krieg in der Ukraine abstrafen will. Wie erwartet, steht diesmal ein Ölembargo im Mittelpunkt. Außerdem sind Sanktionen gegen die marktführende Sberbank, russische Sender und den Patriarchen Kyrill vorgesehen.

Die fünf vorausgegangenen Sanktionspakete richteten sich gegen die russische Zentralbank, kleinere Geschäftsbanken sowie zahlreiche Oligarchen. Außerdem wurden Flüge eingestellt, russische Staatsmedien blockiert und Kohle- und Holzimporte verboten. Die Strafen haben die russische Wirtschaft geschwächt, jedoch keine erkennbare Wirkung auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine gehabt.

Darum gehe es auch nicht, sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. „Wir haben nie behauptet, dass die Sanktionen den Krieg beenden würden“, erklärte er. [1][Vielmehr gehe es darum, den „Preis“ für Kremlchef Wladimir Putin zu erhöhen und das russische Militär zu schwächen.] „Wir möchten, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt“, betonte von der Leyen.

Das neue Sanktionspaket soll dazu beitragen, dürfte jedoch nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Denn das Ölembargo soll nicht sofort greifen. Der Import von Rohöl soll erst nach sechs Monaten verboten werden, für Raffinerieprodukte ist eine Frist bis zum Jahresende vorgesehen. Einigen EU-Staaten geht das zu langsam. Polen und Balten fordern einen sofortigen Importstopp.

Die Geschlossenheit könnte bröckeln

Andere Mitgliedsländer stehen auf der Bremse. Zwei Länder – Ungarn und die Slowakei – haben bereits angekündigt, dass sie das Ölembargo nicht mittragen wollen. Ungarn lehnt den Plan komplett ab, die Slowakei fordert eine dreijährige Übergangsphase. Auch Tschechien und Bulgarien haben Bedenken. Diese EU-Länder sind von Energie aus Russland abhängig und können sich nicht schnell abnabeln.

Angesichts der Meinungsverschiedenheiten rechnen EU-Diplomaten mit schwierigen Beratungen. Sanktionen müssen normalerweise einstimmig beschlossen werden. Um ein Veto aus Ungarn und der Slowakei zu vermeiden, sind Ausnahmeregeln im Gespräch. Beide Länder könnten bis Ende 2023 an bestehenden Öllieferverträgen mit Russland festhalten.

Damit würde das Embargo aber durchlöchert, die EU stünde nicht mehr wie bisher geeint da. Von der Leyens Sprecher rechtfertigte dieses ungewöhnliche Vorgehen: Es gehe darum, den Druck auf Putin zu maximieren, den Schaden für die EU jedoch zu minimieren, sagte er. Dafür ist die EU-Kommission offenbar bereit, die Regeln auszuhebeln – und vom Grundsatz der Geschlossenheit abzurücken.

Auch Habeck sieht noch Probleme

Das letzte Wort haben die EU-Staaten, deren Botschafter am Mittwoch die Beratungen über das Sanktionspaket aufgenommen haben. Deutschland drückt dabei, anders als bei früheren Strafmaßnahmen, aufs Tempo. Der ständige Vertreter Deutschlands bei der EU hatte sich schon in der vergangenen Woche für das Ölembargo ausgesprochen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat es eilig.

Allerdings sieht auch Habeck noch Probleme: Er rechnet mit steigenden Ölpreisen als Folge des geplanten EU-Beschlusses. „Eine Verknappung von Öl auf dem Weltmarkt führt natürlich erst einmal prinzipiell zu höheren Preisen“, sagte er am Mittwoch in Berlin. In der EU-Kommission hieß es, man habe die steigenden Preise im Blick und wolle gegensteuern. Details wurden nicht bekannt.

Unklar blieb auch, wie die EU die Umleitung der russischen Ölexporte in andere Weltregionen verhindern will. Die EU hat sich dazu mit den USA abgestimmt. Washington könnte Sekundärsanktionen gegen Unternehmen verhängen, die das Embargo brechen. Bisher war die EU strikt gegen solche Maßnahmen. Nun könnte sie selbst dazu greifen.

4 May 2022

LINKS

[1] /Umgang-mit-Gas-und-Oel-aus-Russland/!5845128

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Embargo
Erdöl
EU-Kommission
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
EU-Sanktionen
EU-Krise
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Blast from the Past
Olaf Scholz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Höchstpreis für Öl: Realitätsferner Käuferstreik

Wer vom Ölimport abhängig ist, kann schwerlich den Preis festlegen, wie es Wirtschaftsminister Habeck vorgeschlagen hat. Öl ist keine Eiscreme.

Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Kartoffeln statt Autoteile

Die EU hat das sechste Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht. Die Wirtschaftsstrafen zeigen erste Folgen.

Gesetz zur Sanktionsdurchsetzung: Weniger Schonung für Oligarchen

Russische Vermögende haben in Deutschland trotz Sanktionen wenig zu befürchten. Die Bundesregierung will das ändern. Ob das gelingt, ist offen.

Neugestaltung der EU: Frischekur für Europa

Um ihrer Müdigkeit zu entkommen, braucht die EU eine neue Verfassung. Entscheidend ist, die Bürger*innen mit ins Boot zu nehmen.

EU-Kommission plant Ölembargo: Koalition der Willigen

Zeit ist bei den Sanktionen von großer Wichtigkeit. Die Staaten, die das Ölembargo befürworten, sollten sich von den Gegnern nicht aufhalten lassen.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski lädt ein

Selenski und Steinmeier haben telefoniert und Irritationen ausgeräumt. Der Bundespräsident und Kanzler Scholz sind nach Kiew eingeladen.

Scholz will kein Held sein: Held oder Heizung?

Pinya, Scholz, Selenskyj: Parallelen zwischen literarischen Helden und heutigen Staatschefs.

Merz in der Ukraine: Ein vermeintlicher Coup

CDU-Chef Merz reist nach Kiew und produziert starke Bilder. Das Problem ist der Zeitpunkt seiner Reise kurz vor der Landtagswahl in NRW.

Botschafter der Ukraine in Deutschland: Leberwurst-Diplomatie

Andrij Melnyk hat Olaf Scholz als beleidigte Leberwurst bezeichnet. Der Diplomat teilt aus, denn Krawall zieht immer – sogar in Kriegszeiten.